Wissenstransferstrukturen an den Zielen einer Nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Zum Projekt: Indikatoren zu regionalen Wissenstransferstrukturen für Nachhaltige Entwicklung (IreWiNE)
Bizer, K., Führ, M., Horstmann, E., Winkler-Portmann, S. J. & Hirschmann, D. (2022). Wissenstransferstrukturen an den Zielen einer Nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Zum Projekt: Indikatoren zu regionalen Wissenstransferstrukturen für Nachhaltige Entwicklung (IreWiNE). In Lange, J., Bizer, K., Führ, M., Hirschmann, D., Horstmann, E. & Winkler-Portmann, S. J. (Hrsg.). Regionaler Wissenstransfer für Nachhaltige Entwicklung? Loccumer Protokolle, Band 61/2022. Rehburg-Loccum, 25-47.
Ausgehend von den identifizierten Herausforderungen und der empirischen Untersuchung von vier regionalen Wissenstransferstrukturen hat das Projekt „Wissenstransferstrukturen für Nachhaltige Entwicklung“ (IreWiNE) ein Set von Indikatoren entwickelt und auf Basis eines breiten SampIes von 112 beantworteten Fragebögen erprobt. Sie ermöglichen es, Strukturen des regionalen Wissenstransfers im Hinblick auf den Ideen-, Wissens- und Technologietransfer auf Nachhaltige Entwicklung auszurichten. Transferstellen und Transferprojekte mit einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung stehen vor der Aufgabe, systemische Innovationen zu befördern, die tiefgreifende Änderungen in den Produktions- und Konsummustern bewirken. Damit ändert sich die Rolle derjenigen, die in Einrichtungen zum Wissenstransfer tätig sind: Jenseits des hergebrachten Verständnisses, bei dem bilaterale Anbahnung und Vermittlung von Kontakten im Mittelpunkt steht, ist eine deutlich stärker aktivierende und vernetzende Funktion gefordert. Dazu gehört, alle relevanten Akteure aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik, aber auch aus der Zivilgesellschaft in die multi-direktionalen Austauschprozesse einzubeziehen. Dazu sind neue Formen der Zusammenarbeit zu erproben, die zukunftsorientierte Interaktionsformate wie Szenarioprozesse mit Backcasting-Elementen und einer darauf gestützten Strategieentwicklung einschließen. Um das umsetzen zu können, ist neues konzeptionell-methodisches Wissen aufzubauen. Dies erfordert spezifische fachliche Kompetenzen und personelle Ressourcen, über die die meisten Wissenstransferstrukturen bislang nicht verfügen.
Aus den Ergebnissen des Projekts IreWiNE ergeben sich sieben zentrale Handlungsempfehlungen: Erstens sind nachhaltigkeitsorientierte Strategien und Ziele zu definieren und explizit im Leitbild zu verankern. Zweitens gilt es, die Prozesse so anzulegen, dass die Beteiligten zu einem möglichst weitgehend geteilten Problemverständnis gelangen. Dafür müssen die Akteure nach Wegen suchen, bestehende Kommunikationsbarrieren und Berührungsängste abzubauen. Drittens wandelt sich die Rolle der Intermediäre in den Wissenstransfereinrichtungen; sie gestalten über Kontaktanbahnung und Vermittlung von Expertenwissen hinaus die Prozesse aktiv über - viertens – partizipative Dialogformate, vorzugsweise aus einer Zukunftsperspektive. Diese sollten so angelegt sein, dass die Beteiligten in probleminduzierten, aber technologieoffenen Innovationsprozessen ihren eigenen Beitrag zum Veränderungsprozess erkennen und leisten können, so dass die jeweiligen Organisationen nach den regionalen Gegebenheiten entscheiden, welchen Nachhaltigkeitsproblemen sie sich zuwenden. Dazu sind - fünftens - entsprechende Netzwerke und fachliche Kompetenzen gezielt aufzubauen, was in der Regel ein längeres Befassen mit dem jeweiligen Handlungsfeld erfordert. Dabei ist es - sechstens - von großer Bedeutung, Gruppen regionaler Akteure mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründen, insbesondere aus der Zivilgesellschaft, zu berücksichtigen. Um Verständnis und Erfahrungswissen in Bezug auf Veränderungen zu schaffen, ist es schließlich - siebtens - von Vorteil, wenn die Organisation, an der die Wissenstransferstruktur angesiedelt ist, nachhaltigkeitsorientierte Praktiken und Prozesse übernimmt und damit als Vorbild fungiert.
Die identifizierten Herausforderungen zeigen, dass die Ausrichtung des Ideen-, Wissens- und Technologietransfers auf eine Nachhaltige Entwicklung aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive in hohem Maße notwendig, zugleich aber mit zusätzlichem Ressourceneinsatz und Erwartungen verbunden ist. Richtet man diese Erwartungen an die bestehenden Wissenstransfereinrichtungen, besteht die Gefahr, dass die bislang verfügbaren Ressourcen von diesen zusätzlichen Aufgabenstellungen überfordert sind: Dies gilt sowohl für die Intermediäre als auch für die Akteure aus Wissenschaft und Praxis, die (zunächst) bereitwillig an Transferprozessen teilnehmen. Daher gilt es, diese Fragen zu beantworten: Wie und durch wen ist der regionale Wissenstransfer bei der Ausrichtung auf Nachhaltige Entwicklung zu unterstützen und welche regional angepassten Strukturen eignen sich dafür? Und wie lassen sich Frustration verhindern und Fortschritte sichtbar machen? Zudem ist zu beachten, dass Strukturen und Kompetenzen nicht den Erfolg von nachhaltigkeitsorientierten Transferprozessen garantieren. Auch ermöglichen die entwickelten Indikatoren keine Vorhersage von realen Beiträgen zu einer Nachhaltigen Entwicklung. Daher ist durch die Transferverantwortlichen abzuwägen, welche Schwerpunkte sie bei der Umsetzung von Handlungsempfehlungen verfolgen, um das regionale Potential für eine Nachhaltige Entwicklung bestmöglich zu aktivieren.