Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auf handwerksrelevanten Märkten in Niedersachsen

Kornhardt, U., Mecke, I. & Oelschläger, J. (2000). Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auf handwerksrelevanten Märkten in Niedersachsen. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 63). Duderstadt: Mecke.

Angesichts veränderter Rahmenbedingungen (Stichwort: Strommarktliberalisierung) und der andauernden Finanzmisere der kommunalen Haushalte besteht offensichtlich bei vielen kommunalen Unternehmen ein starker Druck, das eigene Überleben durch eine Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu sichern. Diese Tendenz ist nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit erkennbar. In vielen Fällen bedeutet das, dass die kommunalen Unternehmen unmittelbar mit handwerklichen Anbietern konkurrieren, was im Einzelfall erhebliche Umsatzausfälle bei den lokal ansässigen Handwerksunternehmen zur Folge haben kann.

Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, die das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen im Auftrag der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsen (VHN) durchgeführt hat. Ziel der Untersuchung war es, anhand von ausgewählten Fallbeispielen aufzuzeigen, auf welchen handwerksrelevanten Geschäftsfeldern Städte und Gemeinden in Niedersachsen gegenwärtig wirtschaftlich aktiv sind und wie diese Aktivitäten hinsichtlich ihrer ökonomischen Folgen zu bewerten sind. Zu diesem Zweck wurden in der Landeshauptstadt Hannover die Stadtwerke AG, die üstra Verkehrsbetriebe und die stadteigene Gesellschaft für Bauen und Wohnen (GBH), ferner die Stadtwerke Braunschweig sowie in Wolfsburg die Stadtwerke und die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Neuland näher untersucht.

Die Untersuchung zeigt, dass die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen auf handwerksrelevanten Märkten in den Bereichen Energieversorgung, Verkehrswirtschaft und Wohnungswirtschaft liegen. Entsprechend sind es vor allem die Bau- und Ausbauhandwerke, und hier insbesondere die Elektroinstallateure und das Handwerk Sanitär-Heizung-Klima, sowie die Kfz-Techniker, die von der kommunalen Konkurrenz betroffen sind.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die gesetzlichen Bestimmungen der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) in der kommunalen Praxis kaum als restriktiv empfunden werden. Die begriffliche Unbestimmtheit des öffentlichen Zwecks einer wirtschaftlichen Betätigung lässt den Kommunalunternehmen einen beträchtlichen Spielraum hinsichtlich der Gestaltung ihres Leistungsprogramms, der u.a. zum Angebot von Handwerksleistungen genutzt wird. Das Subsidiaritätsprinzip findet in der Praxis ebenso wenig Beachtung, denn nicht selten werden von kommunalen Anbietern Handwerksleistungen für eigene Zwecke oder für Dritte in voller Kenntnis der Tatsache gebracht, dass die eigene Produktion im Vergleich zu Anbietern der Privatwirtschaft unwirtschaftlich erfolgt und unter Zugrundelegung strikter Kosten- bzw. Rentabilitätsgesichtspunkten eine Konkurrenzfähigkeit mit privaten Anbietern nicht gegeben ist.

Obwohl im Einzelfall kaum nachweisbar, spricht vieles für eine systematische Begünstigung kommunaler Unternehmen im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten. So verfügen die kommunalen Unternehmen häufig über Finanzierungs- und u.U. auch über Steuervorteile, die sich auf die enge Bindung an den kommunalen Träger zurückführen lassen. In diese Kategorie gehören auch Insidervorteile. Daneben profitieren kommunale Unternehmen von Vorteilen, die mit ihrer ehemaligen Monopolstellung und alleinigen Marktbeherrschung zusammenhängen. Hierzu gehören Informations-, Image- und Ausstattungsvorteile. Derartige "künstliche" Wettbewerbsvorteile können zu einer marktbeherrschenden Stellung kommunaler Unternehmen und damit zu einer erheblichen Wettbewerbsbeschränkung führen. Daraus resultieren Wettbewerbsverzerrungen mit der Folge volkswirtschaftlicher Fehllenkungen.

Zentrale Schlussfolgerungen aus der Untersuchung:

  • In einem generell auf Steuerung der Wirtschaftsprozesse durch Märkte basierenden Wirtschaftssystem wie der Marktwirtschaft ist eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen grundsätzlich nur dann legitim, wenn der Markt bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen versagt oder die am Markt erzielten Ergebnisse die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger nicht angemessen befriedigen und insofern einer staatlichen Ergänzung bedürfen (Marktversagen bzw. unzureichendes Marktergebnis).
  • Aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet das für die Bewertung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, dass diese nur dann als zweckmäßig und zulässig anzusehen ist, wenn sie die Funktion eines öffentlichen Angebots zur Sicherung des Eigenbedarfs der Kommune sowie zur Versorgung seiner Einwohner und des örtlichen Gewerbes erfüllt und gleichzeitig eine private Produktion z.B. aufgrund des Öffentlichen-Guts-Charakters dieser Leistungen nicht zustande kommt bzw. zu erwarten ist.
  • In aller Regel ist in den Marktsegmenten, auf die die Kommunen ihre Wirtschaftstätigkeit bevorzugt ausdehnen, ein ausreichendes privates Angebot vorhanden. Dies gilt insbesondere für kommunale Leistungsangebote im handwerklichen Bereich, wo im allgemeinen eine Vielzahl untereinander konkurrierender Handwerksbetriebe die vorhandene lokale Nachfrage bereits ausreichend befriedigt. Das zusätzliche Angebot der kommunalen Anbieter schlägt sich unmittelbar in entsprechenden Umsatzverlusten der Handwerksbetriebe nieder. Als Folge sind Arbeitsplatzverluste und damit auch ein Verlust von Ausbildungsplätzen im Handwerk zu befürchten. Aufgrund der damit verbundenen Einnahmeverluste und Schwächung der Finanzkraft der Kommune erweist sich die Ausweitung der kommunalen Wirtschaftstätigkeit wirtschaftspolitisch letztlich als kontraproduktiv. Das Ergebnis ist ein Nullsummen- oder sogar ein Negativsummenspiel.

Angesichts der absehbaren weiteren Liberalisierungstendenzen und der anhaltenden kommunalen Finanzmisere könnte sich eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und dem örtlichen Handwerk als besonders erfolgversprechend erweisen. Das Handwerk sollte im Rahmen von sogenannten public-private-partnerships verstärkt die sich bietenden Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit kommunalen Unternehmen nutzen, um seine eigene Marktposition zu sichern und von den Wettbewerbsvorteilen der kommunalen Anbieter zu profitieren. Das setzt allerdings auf Seiten des Handwerks die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kooperation voraus, die jedoch gegenwärtig nicht immer in ausreichendem Maße gegeben zu sein scheint. Es ist deshalb notwendig, zunächst etwaige Kooperationsdefizite und -hindernisse im Handwerk selbst zu beseitigen.

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