Unternehmensnachfolge im Thüringer Handwerk - Eine Analyse im Zeichen des demografischen Wandels

Müller, K., Koschmieder, K-D., Trombska, D., Zapfe, A. & Rötzler, K. (2009). Unternehmensnachfolge im Thüringer Handwerk - Eine Analyse im Zeichen des demografischen Wandels. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 78). Duderstadt: Mecke.

Im Zuge des demografischen Wandels wird auch der Generationswechsel ein größeres Gewicht bekommen. Einerseits geht die Zahl der Existenzgründer zurück, andererseits geben vermehrt Inhaber ihren Betrieb auf. Dies gilt auch für das Handwerk in Thüringen, wobei die Ursache hierfür primär in dem erwartet hohen Bevölkerungsrückgang, weniger jedoch in der Verschiebung der Altersstruktur liegen dürfte.

Dieser Trend wird bis etwa 2020 moderat verlaufen, danach dürfte sich der Bevölkerungsrückgang aber erheblich verstärken. Allerdings spielt für die wirtschaftliche Entwicklung weniger die absolute Zahl der Gründungen und Übernahmen eine zentrale Rolle, sondern die Qualifikation der Gründer und Übernehmer, die durch geeignete Maßnahmen verbessert werden sollte.

Dies sind wesentliche Ergebnisse einer breit angelegten Studie, die das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen zusammen mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellt hat.

Die Studie bezieht sich auf den Freistaat Thüringen. Dieser ist in besonderer Weise durch das Handwerk geprägt. Die Stärke dieses Wirtschaftsbereichs zeigt sich daran, dass das Thüringer Handwerk im bundesdeutschen Ländervergleich eine der höchsten Betriebs- und Beschäftigtendichten aufweist und auch bei dem Umsatz je Einwohner mit an der Spitze steht.

Das Erscheinungsbild des Handwerks hat sich dabei in den letzten Jahren erheblich verändert. Heute kann man von einer Zweiteilung des handwerklichen Betriebsbestandes sprechen. Auf der einen Seite steht ein relativ kleiner Anteil größerer Handwerksbetriebe, die sich innovativ dem Wettbewerb stellen und am Markt erfolgreich agieren. Auf der anderen Seite findet sich ein großer Anteil von Klein- und Kleinstbetrieben; die Mehrzahl von diesen hat noch nicht einmal einen Mitarbeiter, teilweise wird der Betrieb auch nur im Nebenerwerb geführt. Die Bestandsfestigkeit dieser Betriebe ist nicht sehr hoch. Zahlreiche Gründer kommen aus der Arbeitslosigkeit und bei vielen steht nicht eine wirtschaftliche Expansion im Mittelpunkt, sondern der Erwerb eines Basiseinkommens.

Dieses differenzierte Erscheinungsbild des Handwerks hat natürlich auch Auswirkungen auf den Generationswechsel. Derzeit werden nur 20 % der Handwerksunternehmen übergeben, davon etwa die Hälfte innerhalb der Familie. Die übrigen Betriebe werden stillgelegt. Fast die Hälfte der Betriebsabmeldungen erfolgt plötzlich, d.h. nicht geplant. Auch bei eigentlich übergabefähigen Betrieben ist es dann schwierig, einen Nachfolger zu finden.

In den zulassungspflichtigen Handwerken liegt der Übergabeanteil etwas höher; aber auch hier findet nur gut jeder vierte Betrieb einen Nachfolger. Der Strukturwandel im Handwerk vollzieht sich damit zu einem großen Teil durch einen vom Generationswechsel unabhängigen ständigen Umschlag von aus dem Markt ausscheidenden und neu in den Markt eintretenden Betrieben. Die Fortführung eines Handwerksbetriebes über mehrere Generationen hinweg stellt heute die Ausnahme dar.

Gegenwärtig ist kein Mangel an Übernehmern festzustellen. Dies wird schon daran deutlich, dass seit einigen Jahren die Zahl der Existenzgründer die Zahl der Personen, die ihren Handwerksbetrieb wieder abmelden, übersteigt. Im Zuge des demografischen Wandels wird die Zahl der Existenzgründungen in den nächsten Jahren sinken. Dagegen dürfte die Zahl der Inhaber, die in den Ruhestand überwechseln, etwa gleich bleiben. Daraus folgt, dass bei sonst unveränderten Rahmenbedingungen etwa ab dem Jahr 2013 die Zahl der Marktaustritte die Zahl der Markteintritte und damit auch die Zahl der Übergeber die Zahl der Übernehmer übersteigen wird.

Rein rechnerisch ist ein Ausgleich zwischen der Zahl der zur Übergabe anstehenden Betriebe und der Zahl in Frage kommenden Übernehmer zunächst möglich. Praktisch ist tatsächlich davon auszugehen, dass regionale und sektorale Unterschiede zumindest in Teilen des Handwerks zu einem Nachfolgermangel führen werden.

Die große Herausforderung liegt nach den Erkenntnissen der Studie nicht in den quantitativen, sondern in den qualitativen Anforderungen an die Nachfolger. Vieles spricht dafür, dass Nachfolger häufig nicht genügend qualifiziert sind, um einen Betrieb mit meist mehreren Beschäftigten übernehmen und erfolgreich leiten zu können. Die zentrale Fragestellung muss daher lauten: Wie kann das Handwerk mit ausreichend qualifizierten Gründern versorgt werden, damit größere Handwerksbetriebe erfolgreich einen Generationswechsel meistern und die Betriebe unter der neuen Leitung sich nicht nur am Markt behaupten, sondern auch ihre Stellung ausbauen können.

Aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht ergibt sich hier Handlungsbedarf: Denn positive Effekte für die wirtschaftliche Entwicklung entstehen nur dann, wenn durch Übernahmen, wie auch durch Gründungen generell, der Strukturwandel beschleunigt wird, Innovationen am Markt durchgesetzt werden und die Vielfalt des Angebotes erhöht wird.

Konkrete Handlungsempfehlungen, die auf Basis der Ergebnisse der Studie erarbeitet wurden, sollen Unterstützung bieten, um den Nachfolgeprozess im Thüringer Handwerk zu optimieren. Ein entscheidender Punkt liegt in der frühzeitigen Sensibilisierung sowohl der Betriebsinhaber als auch der potenziellen Nachfolger. Durch eine zielgerichtete Aufklärung und Unterstützung der Betriebsinhaber muss erreicht werden, dass die Vorbereitung der Übergabe langfristig und geplant von statten geht und alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden, u.a. auch die Absicherung eines plötzlichen Ausfalls des Betriebsinhabers. Auf Seiten der potenziellen Nachfolger beginnt die Sensibilisierung idealerweise schon in der Schulzeit, wobei die Vorstellung der Handwerksberufe sowie die damit verbundenen beruflichen Perspektiven, aber auch die Selbstständigkeit im Sinne einer Existenzgründung/Nachfolge im Mittelpunkt stehen sollten.

Zur Vorbereitung der konkreten Übergabe brauchen beide Gruppen, die Übergeber und die Nachfolger, handhabbare Werkzeuge, um die Tragfähigkeit des Vorhabens plausibel und verständlich darzustellen. Ein doppelter Businessplan soll aus Sicht beider Seiten Klarheit verschaffen, die sachlichen Aspekte aus den meist emotional behafteten Verhandlungen hervorheben und die Basis für faire und offene Verhandlungen legen.

Nach der Übergabe stellt die Begleitung des Nachfolgers bei der Stabilisierung des Betriebs einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Hier liegen die Handlungsempfehlungen im Angebot eines geeigneten Coachings für die Nachfolger - möglicherweise in Verbindung mit anderen Fördermöglichkeiten.

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