Unternehmensgröße und regionale Resilienz
Runst, P. & Thomä, J. (2023). Unternehmensgröße und regionale Resilienz. ifh Forschungsbericht Nr. 16. Göttingen.
Der vorliegende Forschungsbericht untersucht den Einfluss der regionalen Unternehmensgrößenstruktur auf die Resilienz von europäischen Regionen in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Die Ergebnisse zeigen, dass im Durchschnitt Europas – zumindest in der untersuchten Krisenphase – von kleineren Unternehmensgrößen kaum ein mildernder Effekt auf die unmittelbare Krisenbetroffenheit von Regionen und auch keine merkliche Wirkung auf deren Regenerationsfähigkeit ausgegangen ist. In deutschen Regionen, die insgesamt besonders stark von dem damaligen Krisenschock betroffen waren, zeigen sich aber durchaus solche Größeneffekte. Diese dürften im Zusammenhang mit den Besonderheiten des Mittelstands stehen, wobei sich zwei verschiedene Muster aufgetan haben:
Erstens zeigt sich, dass ein höherer Anteil von Unternehmen mit 10 bis 249 Beschäftigten zwar auf der regionalen Ebene mit einer größeren Krisenbetroffenheit verbunden war – ein Ergebnis, das nicht zuletzt auf die starke Exportorientierung des deutschen Mittelstands zu-rückzuführen sein könnte. Gleichzeitig hat sich in ebendiesen Regionen mit starker KMU-Prägung jedoch die Lage am Arbeitsmarkt vergleichsweise stabil verhalten, was für die Hypothese spricht, dass eigentümergeführte mittelständische Unternehmen in Krisenzeiten möglichst lange an ihren Beschäftigten festhalten. Dieses Ergebnis bestätigt damit jüngste Erkenntnisse zur Corona-Krise, wonach hierzulande z.B. das mittelständisch geprägte Handwerk in wirtschaftlichen Krisenzeiten eine wichtige Stabilisatorfunktion für regionale Arbeitsmärkte hat.
Zweitens zeigen sich ausgeprägte Effekte für das Segment der Kleinstunternehmen mit maximal neun Beschäftigten: Regionen in Deutschland, die diesbezüglich einen größeren Anteil aufweisen, waren vom wirtschaftlichen Einbruch in Folge des Krisenschocks der Jahre 2008/2009 weniger stark betroffen, und haben ihre Innovationstätigkeit in dieser Zeit auch weniger stark zurückgefahren als andere Regionen. Dieses Ergebnis mag in Teilen einer grundsätzlich geringeren Betroffenheit der Kleinstunternehmen von der damaligen Krise in Folge ihrer geringeren Exportaktivität geschuldet sein. Gleichzeitig ist nicht ausgeschlossen, dass gerade die sehr kleinen mittelständischen Unternehmen seinerzeit ihre potenziellen Flexibilitäts- und Schnelligkeitsvorteile ausgespielt haben, wodurch sich entsprechend geprägte Regionen in der Krise insgesamt robuster und anpassungsfähiger erwiesen haben.
Aus Sicht der Politik ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Krisen nach dem gleichen Muster ablaufen. Insofern sind die Bestimmungsfaktoren regionalwirtschaftlicher Resilienz sehr komplex, wodurch die Einschätzung zur Relevanz und Wirksamkeit politischer Unterstützungsansätze auch je nach Krise unterschiedlich ausfallen kann. Aufgrund seiner größeren Allgemeingültigkeit dürfte jedoch gerade im Hinblick auf den Resilienz-Effekt der regionalen Unternehmensgrößenstruktur eine gezielte Förderung über unterschiedliche Krisen hinweg weiterhelfen. Denn nicht zuletzt die Förderung von Innovationskraft und Unternehmertum gilt als lohnender Ansatz für eine Stärkung verschiedener Komponenten der Krisenresilienz von Regionen. Die Einbindung einer großen Zahl von KMU in regionale Innovationssysteme durch eine breite Ausrichtung der mittelstandsorientierten Innovationsförderung und eine Mittelstandspolitik, die u.a. auf eine Verbesserung der regionalen Rahmenbedingungen für eine lebendige Kultur der Selbstständigkeit setzt, kann hierfür wirksame Impulse liefern.