Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Handwerk durch Auslandsaktivitäten

Müller, K. (2001). Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Handwerk durch Auslandsaktivitäten. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 45). Göttingen.

Den Auslandsaktivitäten im deutschen Handwerk wurde bislang keine allzu große Beachtung geschenkt. Dies mag vor allem daran gelegen haben, dass Handwerksunternehmen überwiegend einen regionalen Absatzbereich aufweisen und Auslandsgeschäfte für sie daher kein Thema waren. Dies hat sich in den letzten Jahren beträchtlich geändert. Zwar ist bislang nur ein relativ kleiner Teil der Handwerksbetriebe im Ausland tätig, aber diese Betriebe demonstrieren sehr gut, dass zu diesem Wirtschaftsbereich neben eher traditionellen Berufen auch Betriebe gehören, die ein hohes technisches Know-how aufweisen, sich auf qualifizierte Mitarbeiter stützen können und in vielerlei Hinsicht innovativ sind. Ihre Auslandserfolge erringen Handwerksunternehmen nicht, weil sie billiger als ihre Konkurrenten anbieten, sondern weil sich ihre Produkt- und Leistungspalette qualitativ von derjenigen der ausländischen Konkurrenz abhebt.

Oft geschieht dies dadurch, dass sich Handwerksunternehmen auf kleine Nischen spezialisiert haben. Hier sind sie in vielen Ländern tätig; teilweise sind sie in ihrem kleinen Segment sogar weltweit führend oder haben nur wenige Mitbewerber. Das Ziel des vorliegenden Arbeitsheftes liegt einerseits darin, wichtige Informationen über das handwerkliche Auslandsengagement zu vermitteln, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den durch die Auslandsaktivitäten bewirkten Beschäftigungseffekten liegt. Andererseits soll anhand von Fallbeispielen die Variationsbreite des handwerklichen Auslandsengagements aufgezeigt und veranschaulicht werden.

Leider liegen derzeit keine genauen Daten über die Zahl der im Ausland tätigen Handwerksbetriebe und ihren dort erzielten Umsatz vor. Aufgrund von empirischen Erhebungen lässt sich jedoch ableiten, dass die diesbezüglichen Daten der letzten Handwerkszählung inzwischen erheblich übertroffen werden. So dürften derzeit 3 bis 4 % der deutschen Handwerksbetriebe im Ausland tätig sein, wobei etwa 2 bis 3 % des Umsatzes im Handwerk mit ausländischen Kunden erzielt wird. Auslandsaktivitäten sind grundsätzlich für alle Betriebsgrößen geeignet. Zwar sind größere Handwerksunternehmen häufiger im Ausland aktiv und ihr Auslandsumsatz ist dementsprechend auch größer, dennoch lässt sich feststellen, dass etwa 50 % der im Ausland tätigen Handwerksbetriebe weniger als 10 Beschäftigte haben. Dies demonstriert sehr gut, dass auch kleinere Unternehmen ihre Abnehmer im Ausland finden.

Den größten Auslandsanteil weisen die handwerklichen Investitionsgüterhersteller und Zulieferer auf. Diese haben sich meist auf Nischenprodukte spezialisiert und bieten ein qualitativ hochwertiges Angebot an, dass sich auf den internationalen Märkten gut behaupten kann. Darüber hinaus stellen auch einige Konsumgüterhersteller Produkte her, die in viele Länder versandt werden. Hier sind bspw. Möbeltischler und Musikinstrumentenmacher zu nennen. Im grenznahen Bereich sind zusätzlich viele Bau- und Ausbauunternehmen im Nachbarland tätig. Voraussetzung ist hier – wie auch bei allen übrigen Auslandsgeschäften –, dass sie eine qualitativ hochwertige Produkt- und Leistungspalette anbieten, welche sich vom Angebot der Mitbewerber aus dem Ausland unterscheidet. Während in den neuen Bundesländern das Auslandsengagement im Handwerk bis jetzt relativ gering ist, zeigen sich Schwerpunkte insbesondere in Baden-Württemberg, Bayern, dem Saarland, in einigen Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie in den Stadtstaaten.

Untersuchungen des Seminars für Handwerkswesen haben ergeben, dass im Handwerk noch ein erhebliches Exportpotenzial besteht. Nach vorsichtigen Schätzungen bringen 50.000 Handwerksbetriebe die Voraussetzungen zu einem internationalen Engagement mit. Daraus lässt sich ein potenzielles Exportvolumen von bis zu 40 Mrd. DM ableiten. Der Beschäftigungseffekt von Auslandsaktivitäten lässt sich ermitteln, indem man die Auslandsumsätze durch den durchschnittlichen Jahresumsatz je Beschäftigten dividiert. Die sich ergebenen 120.000 bis 180.000 Beschäftigten stellen jedoch die Untergrenze dar, da von den Auslandsaktivitäten vielfältige andere Wirkungen ausgehen, die indirekt Einfluss auf die Beschäftigung haben. Hier sind bspw. zu nennen:

  • Imagegewinn durch Auslandsgeschäfte,
  • Bindung, Qualifizierung und Neueinstellung von Mitarbeitern,
  • Kostenreduzierung durch Stückkostendegression,
  • Lerneffekte durch Auslandsgeschäfte,
  • Realisierung höherer Preise.

Letztlich können Auslandsgeschäfte ausschlaggebend sein, die Existenz des gesamten Betriebes zu sichern. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die inländische Produktion aus Kostengründen nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Die vorstehenden Ausführungen werden durch vierzehn Fallbeispiele bestätigt, die auslandsorientierte Handwerksunternehmen aus unterschiedlichen Regionen und Sparten zeigen. Teilweise handelt es sich um Betriebe, die ihre Produkte ins Ausland exportieren, teilweise führt der Betrieb Arbeiten im Ausland durch, teilweise hat er im Ausland eine Niederlassung gegründet, sei es, um im Ausland günstiger produzieren, sei es, um den dortigen Markt bearbeiten zu können. Insgesamt zeigen diese Fallbeispiele die große Bandbreite des handwerklichen Auslandsengagements.

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