Raus aus der Baukrise. Energetische Sanierung als branchen-, konjunktur- und energiepolitische Chance

Meub, L. & Proeger, T. (2024). Raus aus der Baukrise. Energetische Sanierung als branchen-, konjunktur- und energiepolitische Chance. Initiative Klimaneutrales Deutschland, IKND-Analyse, Februar 2024. München.

Der Neubau von Gebäuden ist in Deutschland im Zuge der sehr schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage deutlich zurückgegangen. Dies hat im Vergleich zu früheren Jahren zu einer deutlich geringeren Auslastung des Baugewerbes geführt. Demgegenüber generiert die energetische Sanierung bestehender Gebäude für eine Reihe von Tätigkeitsbereichen des Baugewerbes weiterhin eine stabile Nachfrage. Sie kann daher als konjunktureller Stabilisator der Baubranche in einer Phase der Minderauslastung angesehen werden.

Die Umlenkung der Nachfrage und der damit verbundenen begrenzten personellen Ressourcen im Baugewerbe kann gleichzeitig dazu beitragen, eine höhere Sanierungsquote in Deutschland zu erreichen. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, liefert die vorliegende Analyse Szenarien für Steigerungen der Sanierungsrate von aktuell rund einem Prozent auf zwei bzw. vier Prozent. Die Modellberechnung illustriert auf diese Weise die Nachfrageverschiebung und ihre Effekte auf Beschäftigung und Umsatz im Bauwesen.

Als theoretische Eckpunkte der Modellberechnung werden zwei Randszenarien entwickelt, die in Reinform zwei unterschiedliche Handlungsoptionen zur Erhöhung der Sanierungsquote darstellen: Im ersten Szenario wird die sanierungsbedingt gesteigerte Nachfrage nach Produktionskapazitäten vollständig durch einen Ausbau der Kapazitäten abgebildet. Im zweiten, sogenannten Substitutions-Szenario hingegen wird die gesteigerte Nachfrage vollständig dadurch gedeckt, dass Bauaktivitäten im Neubau- und Bestandsbereich durch Maßnahmen im Bereich Sanierung ersetzt werden. In Ergänzung zu diesen Reinformen werden verschiedene Mischszenarien aus Kapazitätsausweitung und Substitution grafisch dargelegt, die zwischen diesen Randszenarien liegen.

Die Szenarien zeigen, dass ein stärkerer Sanierungsfokus aufgrund des begrenzten Fachkräftepotentials zumindest absehbar nicht allein durch eine Ausweitung des Marktvolumens erreicht werden kann. Zusätzlich erforderlich ist auch eine Verschiebung der Nachfrage von Neubau- und Bestandsmaßnahmen hin zur Sanierung.

Im Hinblick auf ein mittelfristig hohes Zinsniveau und gesetzlich verankerte Energieeffizienzstandards kann eine staatlich induzierte Nachfrageumlenkung zur Sanierung eine wirksame Maßnahme sein, um in der aktuell schwachen konjunkturellen Lage eine tiefere Krise des Baugewerbes zu vermeiden.

Aus Branchensicht ist eine staatliche Priorisierung der Sanierung daher zur langfristigen Kapazitätswahrung erstrebenswert. Angesichts der aktuellen Unterauslastung der Produktionskapazitäten im Baugewerbe würde sie eine hohe Lenkungswirkung entfalten und ist daher auch als konjunkturstärkende Maßnahme sinnvoll. Zu empfehlen ist hierbei ein Mix von Maßnahmen, der sowohl auf eine Kapazitätssteigerung als auch auf eine Substitution von Neubau- durch Sanierungsmaßnahmen ausgerichtet ist.

Die aktuelle Krise des Bauhandwerks im Neubaubereich kann somit als Chance begriffen werden, um auf relativ kosteneffiziente Weise die Sanierungsquote dauerhaft zu erhöhen und eine tiefere Krise des Baugewerbes zu verhindern. Die stärkere Priorisierung der Sanierung dient damit nicht nur energie- und klimapolitischen Zielen; sie ist vor allem auch aus branchen- und konjunkturpolitischen Gründen sinnvoll und richtig.

Für Rückfragen zu den Ergebnissen dieser Studie steht Dr. Lukas Meub zur Verfügung.
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