Lohnstrukturen im Handwerk

Haverkamp, K. & Fredriksen, K. (2018). Lohnstrukturen im Handwerk. Study der Hans-Böckler-Stiftung (Nr. 380). Düsseldorf.

Der einfache deskriptive Vergleich der Durchschnittswerte für Verdienste im Handwerk und in der Gesamtwirtschaft zeigt, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Handwerksbetrieben ca. 20 Prozent weniger als Beschäftigte in anderen Sektoren der Volkswirtschaft verdienen. Die Langzeitbetrachtung lässt darauf schließen, dass ein Einkommensabstand zwischen Handwerk und der Gesamtwirtschaft bereits Ende der 1950er Jahre feststellbar war, sich in den 1980er und 1990er Jahren vergrößerte und seit Mitte der 2000er Jahre stabil bleibt.

Das Ziel dieser Untersuchung war es, die Lohnbildungsprozesse im Handwerk auf Basis neuer Auswertungen von vorhandenen Sekundärdatensätzen eingehender zu beschreiben und Ursachen für das gestiegene Lohngefälle zwischen Handwerk und sonstigen Bereichen der Volkswirtschaft zu identifizieren.

Die Analysen in dieser Studie verdeutlichen, dass die Einkommensdifferenz zwischen dem Handwerk und der Gesamtwirtschaft zur Hälfte durch die qualifikatorischen Strukturunterschiede erklärt werden kann. Während in der Beschäftigtenstruktur des Handwerks Nicht-Studienberechtigte (88 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) bzw. Hauptschulabsolventen (47 Prozent) und Personen mit einem Lehrabschluss (79 Prozent aller Beschäftigten) die dominante Rolle spielen, ist in den sonstigen Wirtschaftsbereichen von einem deutlich größeren Gewicht der Studienberechtigten (33 Prozent aller Beschäftigten) und Hochschulabsolventen (19 Prozent) auszugehen. Den Qualifikationsunterschieden kommt der größte und in den letzten Jahren auch steigende Erklärungsbeitrag zu.

Die Ergebnisse im Hinblick auf die Tarifbindung müssen differenziert betrachtet werden. Bereits in den 1990er Jahren wurden in mehreren Handwerkszweigen die Verdienste nach unten durch branchenspezifische Mindestlöhne begrenzt. Die branchenspezifischen Mindestlöhne liegen im Handwerk z. T. deutlich über dem aktuellen Niveau der allgemeinverbindlichen Lohnuntergrenze (Beispiel: Arbeiter im Bauhauptgewerbe: 11,30 Euro pro Stunde, Facharbeiter im Bauhauptgewerbe West: 14,70 Euro pro Stunde, aktueller Mindestlohn: 8,84 Euro pro Stunde). Der Anteil der Beschäftigten, die in Mindestlohnbranchen arbeiten, liegt im Handwerk doppelt so hoch wie in anderen Sektoren der Volkswirtschaft. Die Tarifbindung ist im Handwerk hingegen insgesamt geringer als in der Gesamtwirtschaft ausgeprägt. Da Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben sowohl im Handwerk als auch in der Gesamtwirtschaft höhere Einkommen erzielen als Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Betrieben, erklärt die unterschiedliche sektorale Tarifbindungsquote ca. 21 Prozent des Einkommensunterschieds zwischen Handwerk und dem Rest der Volkswirtschaft.

Weitere Teile der Einkommensdifferenz lassen sich schließlich damit erklären, dass die Beschäftigten im Handwerk im Durchschnitt jünger und häufiger in kleineren Betriebseinheiten tätig sind, in denen das durchschnittliche Einkommensniveau insgesamt niedriger als in den Großunternehmen ausfällt.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass sich die Löhne im Handwerk im unteren Teil der Einkommensverteilung nur wenig von den Bruttostundenlöhnen in sonstigen Bereichen der Volkswirtschaft unterscheiden. Die Verdienstunterschiede zwischen Handwerk und Gesamtwirtschaft werden generell erst mit dem steigenden Qualifikationsniveau der Beschäftigten größer. Dies bedeutet, dass die Ausdifferenzierung der Lohnstrukturen nach Qualifikationsniveau im Handwerk insgesamt weniger stark ausgeprägt ist, als dies in der Gesamtwirtschaft der Fall ist.

Bei der Differenzierung nach Branchen und Berufen wird es deutlich, dass die durchschnittlichen Löhne in Handwerksbetrieben für einige Beschäftigtengruppen mitunter höher als in der Gesamtwirtschaft ausfallen. So gilt bekanntermaßen für die Lebensmittelwirtschaft insgesamt ein unterdurchschnittliches mittleres Entlohnungsniveau. Betrachtet man Beschäftigte in Lebensmittelberufen, dann lässt sich jedoch feststellen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Berufsgruppe in Handwerksbetrieben im Mittel (und im Durchschnitt) mehr verdienen als in Betrieben anderer Wirtschaftssektoren. Ein ähnlicher Zusammenhang gilt für die Ausbauberufe. Im Metall- und Elektrobereich hingegen liegen die durchschnittlichen Löhne in Handwerksbetrieben und in den Betrieben ohne Handwerkseigenschaft deutlich weiter auseinander.

Zum Schluss gilt es anzumerken, dass aufgrund der sehr großen Heterogenität der Handwerkswirtschaft im Hinblick auf das Branchenspektrum (Baugewerbe, Lebensmittelgewerbe, persönliche Dienstleistungen etc.) empfehlenswert wäre, die hier für den gesamten Wirtschaftsbereich durchgeführten Analysen für einzelne Branchen zu vertiefen. Dies würde es ermöglichen, die branchenspezifischen Effekte herauszurechnen und das Augenmerk ausschließlich auf Qualifikationen, Tarifgeschehen und Produktivitätsuntersc

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