Innovationsatlas Handwerk – ein neuer Blick auf die regionalökonomische Funktion der Handwerkswirtschaft

Runst, P. & Thomä, J. (2024). Innovationsatlas Handwerk – ein neuer Blick auf die regionalökonomische Funktion der Handwerkswirtschaft. ifh Forschungsbericht Nr. 25. Göttingen.

Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass das Handwerk in vielerlei Hinsicht eine stabilisierende Funktion für ländlich-periphere, strukturschwächere Regionen hat. In der Fläche außerhalb der Ballungszentren ist das Handwerk damit ein wichtiger Faktor für den Abbau regionaler Disparitäten – ein zentrales Ziel der regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik in Deutschland. Die vorliegende Studie fügt diesem Bild der regionalökonomischen Bedeutung des Handwerks ein weiteres Puzzleteil hinzu, indem darin erstmals die Innovationsfunktion des Handwerks in räumlicher Perspektive beleuchtet wird. In der Gesamtschau wird die Rolle des Handwerks bei der Erschließung der Innovations- und Wachstumspotenziale von ländlich-peripheren, strukturschwächeren Regionen deutlich. Handwerksunternehmen können somit auch unter Innovationsgesichtspunkten einen wirksamen Beitrag zum Abbau regionaler Disparitäten leisten.

Im Einzelnen stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar:

  • Absolut gemessen konzentrieren sich erwartungsgemäß sowohl innovierende als auch nicht-innovationsaktive Handwerksunternehmen in den Agglomerationszentren.
  • Aber: Das Handwerk ist relativ gesehen stärker in Regionen außerhalb der urbanen Zentren vertreten. Dies gilt auch für die Gruppe der innovationsaktiven Handwerksunternehmen.
  • Gerade in ländlich-peripheren, strukturschwächeren Räumen ist das Handwerk ein wichtiger Innovationsträger. Dies ist sowohl für die Generierung wirtschaftlichen Wachstums in diesen Regionen als auch für den regionalwirtschaftlich wichtigen Prozess der Technologiediffusion von Bedeutung.
  • Dieser regionale Innovationsbeitrag der Handwerkswirtschaft gilt auch für die Teilgruppe der F&E-aktiven Innovatoren im Handwerk.
  • Die flächendeckende Innovationsfunktion des Hand­werks gilt im Großen und Ganzen über alle Handwerksbereiche hinweg, d.h. der dynamisierende Beitrag der Handwerksunternehmen zur wirt­schaftlichen Entwicklung der genannten Regionen gilt für die gesamte Breite und Vielfalt des Handwerks.

Aus struktur- und regionalpolitischer Sicht gehört das Handwerk damit zu den möglichen innovativen Impulsgebern, wenn es darum geht, Wege und Lösungen zu finden, um ländlich-periphere, strukturschwächere Regionen wirtschaftlich voranzubringen und regionales Wachstum zu generieren. Entsprechend sollte das Handwerk mit seinen Organisationen bei der Formulierung und Umsetzung regionaler Gründungs- und Innovationsstrategien für benachteiligte Räume mitgedacht und als relevanter Akteur in regionale Governance-Prozesse eingebunden werden. Dazu gehört, dass das Handwerk mit seinen spezifischen Lernformen und Wissensumgebungen als integraler Bestandteil der jeweiligen regionalen Innovationssysteme verstanden wird. Insofern gilt es zu gewährleisten, dass das Handwerk in den genannten Regionen die nötigen infrastrukturellen Angebote erhält, die es für seine wirtschaftliche Entwicklung benötigt. Ein Beispiel hierfür ist die Verfügbarkeit von Breitband-Internetanschlüssen mit entsprechenden Leistungskapazitäten auch an Standorten in ländlich-peripheren Räumen. Denn gerade die digitalen Vorreiter im Bereich Handwerk 4.0 haben ihren Unternehmenssitz häufig im ländlichen Raum – und sind daher in besonderem Maße auf eine gute digitale Infrastruktur angewiesen. Ein anderes Beispiel ist die Sicherstellung einer modernen und ausreichend ausgestatteten Berufsbildungsinfrastruktur – ein Thema, das aufgrund eines erheblichen Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaubedarfs im Bereich der handwerklichen Berufsbildungszentren erst in jüngster Zeit auf die Tagesordnung gerückt ist. Die Ergebnisse des vorliegenden Forschungsberichts machen in diesem Zusammenhang deutlich, wie wichtig die breite räumliche Verteilung der Berufsbildungsstätten des Handwerks ist, um eine notwendige Rahmenbedingung für die Innovationsfähigkeit von Handwerksunternehmen auch in ländlich-peripheren, strukturschwächeren Regionen zu sichern. Diese und weitere wirtschaftspolitische Implikationen werden am Ende des Forschungsberichts behandelt.

Für Rückfragen zu den Ergebnissen dieser Studie steht Dr. Jörg Thomä zur Verfügung.
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