Innovations- und Wachstumspfade junger Unternehmen
Runst, P. & Thomä, J. (2023). Innovations- und Wachstumspfade junger Unternehmen. ifh Forschungsbericht Nr. 21. Göttingen.
Um zu wachsen und erfolgreich zu sein, setzt ein erheblicher Teil der neu gegründeten Unternehmen aus Mittelstand und Handwerk statt auf Forschung und Entwicklung (F&E) auf andere Arten des Lernens und Innovierens. Die vorliegende Untersuchung zur wirtschaftlichen Performance unterschiedlicher Innovations- und Wachstumspfade junger Unternehmen liefert hierzu verschiedene Hinweise. Demnach können junge Unternehmen sowohl F&E-orientierte als auch nicht-F&E-orientierte Innovationsweisen verfolgen: Es gibt junge Unternehmen, die primär im so genannten „Science-Technology-Innovation (STI)-Modus“ innovieren und dabei auf interne wissenschaftlich-akademische F&E-Kompetenzen und den Austausch mit externen wissenschaftlichen Einrichtungen zurückgreifen. Andere junge Unternehmen, von denen viele im Handwerk zu finden sind, setzen dagegen ausschließlich oder vorrangig auf den Innovationsmodus „Learning by Doing-Using-Interacting (DUI)“. Ihre Lern- und Innovationsquellen basieren statt auf F&E vor allem auf Qualifikationen aus der beruflichen Bildung, der aktiven Einbindung der eigenen Mitarbeiter*innen in Innovationsprozesse und dem interaktiven Lernen entlang der Wertschöpfungskette mit Kunden, Lieferanten etc.
Die vorgenommene Analyse der Wachstumsperformance verschiedener Innovationsmodi bestätigt, dass es für junge Unternehmen auch andere Möglichkeiten gibt, unabhängig von risikoreichen F&E-Innovationsaktivitäten wirtschaftlich erfolgreich zu sein: Die Attraktivität DUI-naher Innovations- und Wachstumspfade liegt dabei darin, dass die Kosten- und Risikobelastung der Innovationstätigkeit überschaubar ist und dennoch ein tragfähiges wirtschaftliches Ergebnis erzielt werden kann. Dementsprechend ist die Output-Seite im Vergleich zu STI-orientierten Gründungen durch ein begrenztes Risiko und eine geringere, aber dennoch positive Wachstumsperformance gekennzeichnet. Mit Ausnahme des sehr dynamischen oberen Wachstumssegments gibt es kaum Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen DUI- und STI-orientierten Gründungen.
Aus Sicht der Politik bestätigt dies zwar zunächst die Vermutung, dass F&E-basierte Innovationstätigkeit und Unternehmenswachstum in einem positiven Zusammenhang stehen. Gleichzeitig greift die ausschließliche Betrachtung des Gründungsgeschehens durch die „STI-Brille“ aber offensichtlich zu kurz. Denn die empirischen Befunde dieser Studie sprechen zugleich dafür, das Wachstumspotenzial nicht-F&E-orientierter junger Unternehmen und damit die Rolle des DUI-Modus für die Generierung wirtschaftlicher Dynamik nicht zu unterschätzen: Sobald der Bereich des Nullwachstums verlassen wird, ist die wirtschaftliche Performance junger, innovationsaktiver Unternehmen in der Regel höher als die nicht-innovativer Gründungen, und zwar unabhängig davon, ob der Fokus eher auf STI oder auf DUI liegt. Dies wirft die Frage auf, ob der DUI-Typus junger Unternehmen mit seinen spezifischen Bedürfnissen derzeit in der Gründungs- und Innovationspolitik angemessen berücksichtigt wird. Letzteres wäre z.B. dann der Fall, wenn die hohe Bedeutung der beruflichen Bildung für die Absorptionsfähigkeit nicht-F&E-orientierter junger Handwerksunternehmen und deren starker Beitrag zum Beschäftigungsaufbau zum Anlass genommen würde, verschiedene bildungs-, arbeitsmarkt- und innovationspolitische Ansätze so miteinander zu verzahnen, dass die Innovationskraft in diesem wichtigen Unternehmenssegment der deutschen Wirtschaft tatsächlich wirksam gestärkt wird.