Digitalisierungsmuster im Handwerk - Eine regionale und sektorale Analyse des Digitalisierungs-Checks des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk

Runst, P. & Proeger, T. (2020). Digitalisierungsmuster im Handwerk - Eine regionale und sektorale Analyse des Digitalisierungs-Checks des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 39). Göttingen.

Die Auswertung der vorliegenden Stichprobe stellt eine umfassende Untersuchung des Digitalisierungsgrades von Handwerksunternehmen dar. Für diesen Zweck wurden die Daten des Digitalisierungs-Checks des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk, Stand Anfang April 2020, statistisch ausgewertet. Die so gewonnene Stichprobe hat naturgemäß eine Verzerrung hin zu tendenziell größeren, umsatzstärkeren, digitalisierungsaffinen Betrieben. Die Ergebnisse wurden nach Unternehmensgrößenklassen gewichtet, um ein ausreichendes Maß an Repräsentativität zu gewinnen. Es ist eine mit der Struktur des KDH zusammenhängende Übergewichtung bestimmter Bundesländer zu verzeichnen, die jedoch für die strukturellen Aussagen weitgehend unproblematisch erscheint. Die Auswertung ergab folgende Ergebnisse:

  • Die geografische Verteilung der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen ist uneinheitlich. Urbane Bundesländer und solche mit hoher Wirtschaftsleistung liegen in der Umsetzung deutlich vorn. Die östlichen Bundesländer – mit Ausnahme von Berlin – zeigen hingegen weder hohe Umsetzungsraten noch eine erhöht wahrgenommene Relevanz der Maßnahmen.
  • Auf der Gewerbegruppen-Ebene zeichnen sich die Kfz- und die Gesundheitshandwerke durch hohe Umsetzungsraten aus. Die Handwerke für den gewerblichen Bedarf, die Lebensmittelhandwerke und das Ausbaugewerbe zeigen hingegen ein gesteigertes Interesse an Maßnahmen. Auf der Ebene der Handwerkszweige lassen sich erhöhte Potenziale bei den Metallbauern und Zimmerern verorten; relativ geringe Potenziale werden von den Dachdeckern wahrgenommen.
  • Der Detailgrad der Analyse erhöht sich, wenn man statt der Gesamtbetrachtung (über alle Einzelmaßnahmen) die Maßnahmen nach Teilbereichen untersucht. Es fällt auf, dass die Lebensmittelhandwerke im Bereich Kunden weitere Maßnahmen umsetzen möchten. Weiterhin werden die Teilbereiche interne Prozesse und Mitarbeiter in allen Gewerbegruppen als sehr relevant eingeschätzt, insbesondere aber im Ausbaugewerbe und in den Handwerken für den gewerblichen Bedarf.
  • Den höchsten Detailgrad erreicht man schließlich auf der Ebene der Einzelmaßnahmen. Tabelle 3, Tabelle 4 und Tabelle 5 bieten für die interessierte Leserschaft eine Übersicht, in der das Digitalisierungspotenzial jeder Einzelmaßnahme für alle Gewerbegruppen und verschiedene Handwerkszweige identifiziert werden. Die Maßnahmen „interne Kommunikation über mobile Endgeräte“ sowie „Arbeitseinsätze digital koordinieren und planen“ scheinen über alle Unternehmensarten hinweg gleichermaßen von hohem Interesse zu sein.
  • Mit Hilfe einer Clusteranalyse konnte ein Stufenmodell von betrieblichen Digitalisierungstypen erstellt werden, das den Verlauf von weniger zu stärker digitalisierten Betrieben beschreibt. Auf der niedrigsten Stufe scheinen bei Unternehmen, welche bisher kaum Schritte in Richtung Digitalisierung unternommen haben, grundlegende IT-Sicherheitsvorkehrungen eine zentrale Rolle zu spielen. Mit aufsteigendem Digitalisierungsgrad der Unternehmen zeigt sich, dass vor allem die Mitarbeitersensibilisierung und -fortbildung entschieden vorangetrieben wird. Auf der höchsten Stufe, also bei Unternehmen, welche als digitalisierungsaffin beschrieben werden können, wird schließlich besonderer Wert auf die Digitalisierung interner Prozesse gelegt.
  • Schließlich wurden die Determinanten der Digitalisierungsumsetzung multivariat untersucht. Als zentrales Ergebnis bleibt hier festzuhalten, dass kleine Unternehmen bereits an der Digitalisierung von kundenbezogenen Maßnahmen interessiert sind, während die Digitalisierung interner Prozesse hingegen erst für größere Unternehmen (ab 250.000 Euro Jahresumsatz) interessant zu sein scheint.

Die vorliegenden Ergebnisse bieten aus handwerkspolitischer Sicht die Möglichkeit, um die Digitalisierungsförderung für einzelne Gewerbegruppen, Handwerkszweige und Bundesländer gezielt anzupassen und um die Ansprache von Betrieben zu verbessern. Insbesondere die gewerkespezifische Wahrnehmung der Relevanz verschiedener Maßnahmen kann dabei genutzt werden, um die Aufmerksamkeit für Digitalisierungsmaßnahmen zu stärken und Betriebe zu einem Einstieg in die Digitalisierung zu motivieren.

Ferner ist die Aufstellung des hier beschriebenen einfachen Stufenmodells zur Digitalisierung der Betriebe für die Verbesserung der Betriebsberatung von Relevanz, da auf Basis einer ersten groben Abschätzung des Digitalisierungsstands eines Betriebs effizient die von der Mehrzahl der Betriebe gewählte nächste sinnvolle Maßnahme erörtert werden kann. Insofern kann auch hierbei die Passgenauigkeit der Beratungskonzepte verbessert werden

Wie in der ersten Auswertung der Daten des Digitalisierungs-Checks (Runst et al., 2018; Proeger & Runst, 2019), aber auch bei einer Befragung der Beauftragten für Innovation und Technologie des Handwerks (Proeger et al., 2020) gezeigt, hängen die einzelnen Umsetzungsschritte der Digitalisierung eng miteinander zusammen, sodass aus niedrigschwelligen Einstiegsmaßnahmen schrittweise eine immer stärkere Digitalisierung des Betriebs wird. Insofern ist die zielgenaue Ansprache und Umsetzung erster Digitalisierungsmaßnahmen ein wichtiges Element für eine erfolgreiche digitale Entwicklung des Handwerkssektors. Die vorliegenden Auswertungen tragen zu einer differenzierten empirischen Grundlage für die Betriebsberatung bei.

Für Rückfragen zu den Ergebnissen dieser Studie steht Dr. Petrik Runst zur Verfügung.
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