Digitalisierung im Handwerk - ein Forschungsüberblick

Thonipara, A., Höhle, D., Proeger, T. & Bizer, K. (2020). Digitalisierung im Handwerk - ein Forschungsüberblick. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 36). Göttingen.

Die Digitalisierung des Handwerks ist ein zentrales Thema für Handwerksorganisationen und Wirtschaftspolitik. Die Forschung zu diesem Thema hat daher in den vergangenen Jahren eine Reihe grundlegender Erkenntnisse hervorgebracht, die für die Weiterentwicklung der Digitalisierungsbemühungen genutzt werden kann. Zu diesem Zweck gibt diese Studie einen kompakten Literaturüberblick über die bisherigen empirischen Erkenntnisse zur Digitalisierung des Handwerks. Hierfür werden insgesamt 32 Studien aus dem Zeitraum von 2012 bis 2020 zusammengefasst, übergreifende Ergebnisse herausgestellt und Forschungsbedarfe definiert. Die Studien werden nach den Kategorien Überblicksstudien, Digitalisierungsindizes, regionale Analysen, digitale Plattformen, Online-Marketing sowie Aus- und Weiterbildung strukturiert. Übergreifende Ergebnisse sind dabei:

  • Die Betriebe haben grundsätzlich eine positive Haltung gegenüber der Digitalisierung. Die Handwerksunternehmen nehmen die Digitalisierung als Chance wahr, insbesondere um neue Kundenkreise zu erschließen und die Arbeitslast zu reduzieren. Gleichzeitig gehen die Unternehmen vorsichtig mit Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen und neue Technologien um und sorgen sich um die IT-Sicherheit. Auch fehlende interne zeitliche und finanzielle Ressourcen, fehlende interne Kompetenzen oder Mitarbeiterqualifikationen sowie unklarer wirtschaftlicher Nutzen hemmen den Digitalisierungsprozess in Handwerksunternehmen. Eine enge Begleitung der Unternehmen ist zur erfolgreichen Durchführung von Digitalisierungsmaßnahmen genauso wichtig wie finanzielle Förderprogramme, Mitarbeiterqualifikation sowie das Einbetten der Maßnahme in die Unternehmensstrategie.
  • Urbane, größere, umsatzstärkere sowie industrienahe Handwerkwerksbetriebe sind stärker digitalisiert. Innerhalb der Unternehmen zeigt sich, dass grundlegende IT-Hardware bereits genutzt wird, neuere Technologien wie Cloudnutzung oder intelligente Sensorik bisher jedoch kaum verbreitet sind. Dabei zeigt sich, dass Bereiche innerhalb der Unternehmen wie die Verwaltung und der Einkauf bereits einen höheren Grad der Digitalisierung aufweisen als die Produktion und Logistik. Zentrale Kommunikations-kanäle bleiben Telefon und E-Mail.
  • Regionale Analysen der Homepage- und Plattformnutzung zeigen, dass Betriebe in ländlichen Regionen städtischen Betrieben in der Digitalisierung tendenziell nachstehen. So ist der Anteil der Unternehmen mit einer Homepage oder Plattformnutzung in ländlichen Regionen deutlich geringer als in urbanen Räumen. Dies wird häufig im Zusammenhang mit einem langsamen Internetzugang gesehen, welcher ebenfalls als Hemmnis für die Digitalisierung wahrgenommen wird. Verglichen mit den Gesamtaufträgen im Handwerk wird nur ein sehr geringer Anteil an Leistungen über Plattformen vermittelt. Dabei sind die Gewerbe- bzw. Berufsgruppen sehr unterschiedlich aktiv auf Plattformen. In urbanen Räumen werden Plattformen deutlich häufiger genutzt als auf dem Land, wo traditionelle Informations- und Reputationsmechanismen eine größere Relevanz haben. Dort, wo Plattformen vermehrt genutzt werden, spielen Bewertungen eine wichtige Rolle, wobei negative Bewertungen häufig zum Verlassen der Plattform führen, was eine Positivselektion auf den Plattformen bewirkt. Gleichzeitig konnte beobachtet werden, dass insbesondere Soloselbstständige dazu neigen, für gute Bewertungen unbezahlte Extraleistungen anzubieten, oder sich einem Unterbietungswettbewerb gegenübersehen. Meisterbetriebe sind auf Plattformen zwar in der Minderheit, erhalten aber überproportional viele Aufträge und positivere Bewertungen.
  • Rund die Hälfte der Handwerksunternehmen hat eine eigene Homepage. Der Anteil variiert stark zwischen Gewerbegruppen. Lebensmittelhandwerke besitzen seltener eine eigene Homepage, während Gesundheitshandwerke häufiger eine Homepage besitzen. Einwohnerdichte, Umsatz im Handwerk, Bildung und Zuzugsrate haben einen Einfluss auf das Betreiben einer Homepage.
  • Sorgen über eine Substitution von Handwerkerdienstleistungen durch intelligente Automatisierungstechnologie werden von den betrachteten Studien relativiert. Statt einer Abnahme der Arbeitskräftenachfrage wird auf ein wandelndes Anforderungsprofil an die Fachkräfte hingewiesen, das IT-Kenntnisse, die Fähigkeit, sich flexibel an künftige technologische Entwicklungen anzupassen sowie Offenheit für Weiterbildung erfordert.
Für Rückfragen zu den Ergebnissen dieser Studie steht Dr. Anita Thonipara zur Verfügung.
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