Die sozial-ökologische Transformation – nicht ohne das Handwerk

Bizer, K., Thomä, J. & Thonipara, A. (2023). Die sozial-ökologische Transformation – nicht ohne das Handwerk. Mittelweg 36 – Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Heft 2, 43-64.

Die große Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfordert von der Gesellschaft eine erhebliche Steigerung ihrer Innovationskraft. Unbestreitbar bedarf es dafür disruptiver Innovationen, die auf große Umwälzungen abzielen, um zum Beispiel Kohlenstoffneutralität zu erreichen oder weitgehend geschlossene Stoffkreisläufe zu etablieren. Eine Stärkung des Science-Technology-Innovationsmodus (STI) ist daher unerlässlich. Aber ebenso unbestreitbar geht es nicht ohne viele kleine Anpassungen, die nicht minder innovativ sind, aber viel unauffälliger vonstattengehen: Innovationen im Doing-Using-Interacting-Modus (DUI), bei dem Erfahrungswissen, aktive Einbeziehung aller Mitarbeiter*innen, Lernen durch Impulse von außen sowie inkrementelle Anpassungen eine zentrale Rolle spielen, kennzeichnet auch und gerade die Innovationstätigkeit im Handwerk.

Das Handwerk muss sich permanent anpassen an veränderte Lieferketten, Kundenwünsche, Fachkräftebedarfe und vieles mehr. Genau diese Anpassungsfähigkeit der kleinbetrieblichen Strukturen im Handwerk ist ein großer Vorteil, der eng mit dem DUI-Modus verbunden ist: Handwerksunternehmen sind oft nah an ihren Beschäftigten und nah an den Kunden. Sie stiften Sinn und Zufriedenheit für die dort tätigen Personen, die ihre Könnerschaft entwickeln, innovativ tätig sind, ausbilden und reparieren. Das Handwerk ist auch in der Digitalisierung engagiert und bringt in vielerlei Hinsicht das Potenzial mit, einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung nachhaltiger Wertschöpfungsketten zu leisten, die sich an Zielsetzungen wie Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft orientieren.

Gerade aufgrund seines besonderen Innovationsmodus muss man daher in der bevorstehenden großen Transformation das Handwerk als wichtigen Akteur miteinbeziehen: Mit dem Handwerk kann man etwa die Langlebigkeit von Konsumgütern durch Reparatur verlängern. Mit dem Handwerk stärkt man auch die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern, die vom Schulsystem nur mäßig gut erreicht werden, aber in kleinbetrieblich-familiär geführten Unternehmen durchaus ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten sinnstiftend zur Geltung bringen können. Mit dem Handwerk kann man außerdem die gesamte Innovationsfähigkeit der Gesellschaft verbessern, wenn man wirtschaftspolitisch erkennt, dass die verschiedenen Lernprozesse im doing, using und interacting auch für die große Transformation nutzbar sind. Stärkt man zudem die DUI-aktiven Unternehmen dahin gehend, dass sie auch für den STI-Modus anschlussfähig werden, dann erhöht man die Innovationsfähigkeit insgesamt. Und unterstützt man darüber hinaus in regionalen Innovationssystemen den kombinatorischen DUI-STI-Innovationsmodus, indem man sowohl den Austausch unter Handwerksunternehmen als auch zwischen Unternehmen und wissenschaftlichen wie nichtwissenschaftlichen Akteuren fördert, kommt man dem Ziel der großen Transformation in vielen kleinen Schritten sehr viel näher.

Für Rückfragen zu den Ergebnissen dieser Studie steht Dr. Jörg Thomä zur Verfügung.
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