Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die niedersächsischen Klein- und Mittelunternehmen am Beispiel des Handwerks

Müller, K. & Bang, K. (2002). Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die niedersächsischen Klein- und Mittelunternehmen am Beispiel des Handwerks. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 66). Duderstadt: Mecke.

Im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hat das Seminar für Handwerkswe­sen an der Universität Göttingen die Auswirkungen der bevorstehen­den EU-Osterweiterung auf den niedersächsischen Mittelstand untersucht, wobei das Handwerk aufgrund seines wirtschaftli­chen Gewichtes im Vordergrund stand. Ein wichtiges Ergebnis der Recherchen ist, dass derzeit im niedersächsischen Handwerk eine große Unsicherheit bezüglich der EU-Osterweiterung herrscht. Hierbei macht sich vor allem ein Informationsdefizit bemerkbar.

So erwarten Handwerksunternehmen in Niedersachsen erheblich mehr Risiken als Chancen. Rund zwei Drittel sind allerdings der Ansicht, dass sie schlecht oder gar nicht informiert seien. Angesichts der vorliegenden Analyse ist die derzeitige Ein­stellung der Unternehmen sicherlich zu pessimistisch. Zu berücksichtigen ist auch, dass viele vermeintliche Risiken nicht unmittelbar durch die EU-Osterweiterung ent­stehen, sondern im Grunde mit den allgemeinen Auswirkungen von Globalisie­rungstendenzen der Wirtschaft zu tun haben.

Die EU-Osterweiterung bietet insofern Chancen, als produzierende Handwerke, die Güter mit hohem Know-how-Gehalt herstellen und daher auf Nachfrage jenseits ihres regionalen Marktes stoßen, von den wachsenden Märkten in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) pro­fitieren können. Zwar sind bislang schon die meisten Handels­restriktionen außer Kraft gesetzt worden, aber durch den bloßen Beitritt dieser Län­der ist eine dynamische Zunahme der Export­tätigkeit im Mittelstand zu erwarten. Handwerksbetriebe würden dabei vor allem dann an dieser Ent­wicklung partizipie­ren, wenn sie auf zielgerichtete Hilfen ihrer überbetrieblichen Organisa­tion zurückgrei­fen könnten. Des weiteren bieten sich für einige Handwerksunternehmen aus Nieder­sachsen Chancen der Zusammenarbeit mit Firmen aus den Beitrittsländern an, wobei Lohnkos­tenunterschiede und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem heimischen Markt eine ausschlaggebende Rolle spielen dürften.

Handwerksbetriebe, die wie die Friseure ihre Leistungen standort- und werkstattgebunden erbringen, dürften von der EU-Osterweiterung nur wenig tangiert sein. Anders sieht es bei jenen Handwerkern aus, die ihre Leistungen nachfragebezo­gen und werkstattungebunden anbieten, wobei insbesondere das Baugewerbe und die Gebäudereiniger zu erwähnen sind. Die betreffen­den Unternehmen erwarten aufgrund des Beitritts eine massive Betätigung von Firmen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, insbesondere Polen, auf den angestammten deutschen Märkten. Über genaue Größenordnungen ist in dieser Frage noch keine Aussage möglich, zumal es den Unternehmen aus den MOEL nicht leicht fallen dürfte, ohne weiteres im deutschen Raum Fuß zu fassen. Wahrscheinlich müssen sich solche Unternehmen zunächst mit der untergeord­neten Rolle eines Subunternehmers zufrieden geben.

Um Anpassungsprozesse für viele beteiligte Akteure zu erleichtern, sind bekanntlich Übergangs­fristen von bis zu sieben Jahren in Erwägung gezogen worden. Innerhalb dieses Zeitrahmens dürfte ein größeres Problem in Gestalt von Schwarzarbeit bzw. illegaler Betätigung von Betrie­ben aus den Beitrittsstaaten auf dem deutschen Markt bestehen.

Bei einer differenzierten Betrachtung des Landes Niedersachsen ist grundsätzlich nicht damit zu rechnen, dass im Weser-Ems-Raum und in den ländlichen Regionen Nordniedersachsens mit ei­ner größeren Aktivität von Unternehmen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten anfällt. Anders verhält es sich in der Region Braun­schweig, im Großraum Hannover und teilweise im Südosten Niedersachsens. Letzte­rer Standort ist insofern problematisch, als es sich um ein Ge­biet handelt, in dem insbesondere das Baugewerbe in den letzten Jahren deutlich hinter der Ent­wicklung des Gesamthandwerks zurückgeblieben ist.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat Konsequenzen der einen oder anderen Art für sämtliche nie­dersächsischen Handwerker. Zunächst ist hierbei die Möglichkeit ge­boten, den Facharbeiter­mangel bei vielen Handwerksbetrieben zu reduzieren. Andererseits könnte sich die prekäre Lage am niedersächsischen Arbeitsmarkt noch verschärfen.

Aufgrund der Ergebnisse der Studie des Seminars für Handwerkswesen an der Uni­versität Göt­tingen wurden in Zusammenarbeit mit Experten aus dem niedersächsi­schen Handwerk eine Reihe von Handlungsempfehlungen erarbeitet, welche die fol­genden Maßnahmebereiche um­fassen:

  • Maßnahmen zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen
  • Maßnahmen zur volkswirtschaftlich erfolgreichen Gestaltung des Beitrittspro­zesses
  • Maßnahmen zur Anpassung des niedersächsischen Handwerks an die veränderte Wettbe­werbssituation
  • Maßnahmen zur Stärkung des außenwirtschaftlichen Engagements des nieder­sächsischen Handwerks.
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