Das Messeverhalten von Handwerksbetrieben
Müller, K. (2006). Das Messeverhalten von Handwerksbetrieben. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 73). Duderstadt: Mecke.
Grundsätzlich stellt die Beteiligung an einer internationalen Fachmesse für Handwerksbetriebe ein geeignetes Marketinginstrument dar, um sich auf internationalen Märkten zu behaupten. Jedoch sind die Erfahrungen, die mit der Beteiligung an handwerklichen Gemeinschaftsständen gesammelt wurden, nicht immer positiv. Insbesondere auf der Hannover Messe ist ein Rückgang der Teilnehmerzahlen aus dem Handwerk zu beobachten. Dies ist der Hintergrund der vorliegenden Studie, die sich maßgeblich auf Interviews von Handwerksbetrieben – sowohl derzeitige, als auch ehemalige und potenzielle Messeteilnehmer – stützt. Ziel war es, das Messeengagement im Handwerk näher zu durchleuchten.
Als Ergebnis der Studie lässt sich eine Verschiebung des handwerklichen Messeengagements konstatieren. Stand früher die Hannover Messe mit mehreren handwerklichen Gemeinschaftsständen (u.a. ZDH-Zentralstand) im Mittelpunkt der handwerklichen Messepolitik, dürften heute viele Betriebe eher als Einzelaussteller auf Spezialmessen, die meist auch international ausgerichtet sind, teilnehmen. Ob hierdurch der Rückgang der Beteiligung an vielen Gemeinschaftsständen vollständig kompensiert wird oder ob sich die Messebeteiligung von Handwerksbetrieben sogar erhöht hat, ist leider auf Grund der zur Verfügung stehenden Daten nicht eindeutig zu beantworten. Für eine Erhöhung spricht, dass in den letzten Jahren ein nicht unbeträchtlicher Teil an Betrieben erstmals auf einer Messe ausgestellt hat und nur relativ wenige Betriebe identifiziert werden konnten, die sich heute im Gegensatz zu früher nicht mehr an internationalen Fachmessen beteiligen.
Insgesamt ist jedoch eine gewisse Ernüchterung über das handwerkliche Messeengagement eingetreten. Letztlich dürfte der Grund hierfür darin liegen, dass bei vielen Handwerkern nach wie vor eine erhebliche Hemmschwelle vor einer Messebeteiligung, insbesondere an internationalen Fachmessen, besteht, die nur mit relativ hohem Aufwand abzubauen ist, was eine Akquirierung von Betrieben sehr zeitintensiv macht. Die Handwerkskammern stehen dabei vor einem Dilemma. Entweder sie bemühen sich intensiv um einige nach ihrer Meinung messegeeignete Betriebe, um diese von den Chancen einer Messebeteiligung zu überzeugen, oder die Zahl der Messeaussteller geht zurück.
Für das veränderte handwerkliche Messeengagement dürfte auch der in vielen Bundesländern zu beobachtende Rückgang von öffentlichen Fördermitteln eine Rolle spielen. Zwar fallen diese Zuschüsse quantitativ bei den doch erheblichen Messekosten nicht sehr stark ins Gewicht, jedoch scheinen sie für viele Betriebe einen erheblichen psychologischen Einfluss auszuüben. Daneben ist zu konstatieren, dass einige Betriebe ein mangelndes Messe-Know-how aufweisen. Dies äußert sich vor allem in einer unbefriedigenden Messevor- und -nachbereitung. Bei einem Teil der Betriebe herrscht auch ein kurzfristiges Denken vor. Sie gehen mit einer zu hohen Erwartungshaltung auf eine Messe und verkennen, dass ein Messeengagement einen langen Atem braucht.
Aus der Untersuchung wurde aber auch deutlich, dass nicht alle Betriebe für eine Beteiligung an einer internationalen Fachmesse geeignet sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um einfache Teilehersteller handelt und die Qualität ihres Angebotes für eine Messeausstellung zu gering ist oder wenn zu den wenigen Abnehmern eine sehr enge Bindung vorliegt und der Handwerker in diesem Kontext primär als Problemlöser fungiert.
Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung wurde eine Ausstellertypologie des Handwerks entwickelt, die in erster Linie für die für Fachmessen infrage kommenden produzierenden Handwerke für den gewerblichen Bedarf relevant ist (vgl. Tafel). Danach gibt es im Handwerk einen nicht unbeträchtlichen Anteil von Messeroutiniers, die entweder auf der Hannover Messe oder auf einer speziellen Fachmesse regelmäßig ausstellen, und für welche die Messepolitik ein fester Bestandteil ihres Marketings geworden ist. In vielen Fällen haben diese Betriebe die Zahl ihrer Messebeteiligungen in den letzten Jahren ausgeweitet. Diese Betriebe konnten meistens ihre Wettbewerbsposition verbessern, die Zahl ihrer Kunden erhöhen und ihre Auslandsgeschäfte ausbauen.
Daneben ist aber relativ große Gruppe von "labilen" Messeausstellern zu identifizieren. Diese Betriebe entscheiden zeitnah anhand verschiedener wechselnder Faktoren, ob sie sich an einer Messe beteiligen. Relevant sind hier beispielsweise das Förderangebot, die Möglichkeit, auf einem Gemeinschaftsstand auszustellen, die eigene wirtschaftliche Lage oder auch betriebsinterne Gründe. Als dritte Gruppe sind die "messedistanzierten" Betriebe zu erwähnen, die entweder als Teilehersteller oder als Problemlöser tätig sind.
Die genaue Größenordnung dieser drei Gruppen lässt sich leider nicht ermitteln. Nach vagen Schätzungen aufgrund von Gesprächen mit Experten kann man jedoch davon ausgehen, dass es etwa 500 bis 1.000 Messeroutiniers im Handwerk geben dürfte. Die Zahl der labilen Messeteilnehmer liegt mit 1.000 bis 2.000 etwas höher. Aus einer Untersuchung des AUMA geht hervor, dass es ein nicht unbeträchtliches Messepotenzial bei kleinen und mittleren Unternehmen gibt. Wie groß dieses Potenzial im Handwerk ist, lässt sich nur vage schätzen. Bei den produzierenden Handwerken für den gewerblichen Bedarf dürften es etwa 7.000 Betriebe sein. Hinzu kommen noch die Konsumgüterhersteller und die Baubetriebe, die an regionalen und zum Teil auch an internationalen Fachmessen teilnehmen. Von diesen 250.000 Betrieben sind etwa 16.000 für die Teilnahme an einer Fachmesse geeignet. Damit kommt man insgesamt auf ein Messepotenzial von knapp 25.000 Betrieben im Handwerk.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie dieses Potenzial zu aktivieren ist. Hier erscheint es Erfolg versprechend, Ansätze weiterzuverfolgen, bei denen es darum geht, den Messenutzen zu erhöhen, z.B. durch die parallele Durchführung einer Kooperationsbörse auf einer Messe. Auch sollten die Handwerkskammern überlegen, wie sie ihre Messeaktivitäten besser bündeln lassen. Hier sind zum einen Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Handwerkskammern – auch über die Landesgrenzen hinweg –, zum anderen aber auch die Zusammenarbeit mit Institutionen außerhalb des Handwerks, so den IHKs, stärker auszuloten bzw. zu verfolgen. Bei der Förderung des handwerklichen Messeengagements ist außerdem zu berücksichtigen, dass die handwerklichen Messeteilnehmer mit ihrer großen Öffentlichkeitswirkung eine sehr wichtige Funktion aufweisen. Dadurch wird veranschaulicht, dass es innerhalb des Handwerks nicht nur Friseure und Bäcker, sondern auch Betriebe gibt, die sich auf großen Messen der internationalen Konkurrenz erfolgreich stellen können. Diese "Messehandwerker" verdeutlichen, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks viel größer ist als oftmals vermutet.