Beteiligungskapital als Möglichkeit der Gründungsfinanzierung im Handwerk
Lux, M.-O. & Müller, K. (2000). Beteiligungskapital als Möglichkeit der Gründungsfinanzierung im Handwerk. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 42). Göttingen.
Viele handwerkliche Existenzgründer stoßen bei der Realisierung ihres Gründungsvorhabens auf Kapital- und Finanzierungsprobleme. Da in den letzten Jahren Beteiligungskapital in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen hat, stellt sich die Frage, ob dieses Instrument für das Handwerk geeignet sein kann, diese Probleme zu lösen oder zumindest zu reduzieren.
In einem breit angelegten Forschungsprojekt, das sich vor allem auf eine große Anzahl von Experteninterviews stützt, ist das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen dieser Frage nachgegangen. Dabei wurden folgende wesentlichen Ergebnisse gewonnen:
Als Anbieter von Beteiligungskapital betätigen sich vorwiegend institutionelle Anleger, seltener auch Privatinvestoren. Die renditeorientierte Kapitalbeteiligungsgesellschaften, wie Venture-Capital-Gesellschaften, investieren fast ausschließlich in hochinnovative Wachstumsunternehmen, um durch Partizipation am Zuwachs des Unternehmenswertes in relativ kurzer Zeit eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. In Anbetracht der Ausfallwahrscheinlichkeit ihrer Investments erwarten sie von potenziellen Kapitalnehmern je nach Risiko Renditen von ca. 20-50% p.a. auf das eingesetzte Kapital. Vor allem die Venture-Capital-Gesellschaften beabsichtigen, den Wert ihrer Beteiligung durch einen Verkauf an Dritte oder an der Börse zu vervielfachen. Die Finanzierung ist von Anfang an auf diesen Exit angelegt und umfasst eine Beteiligung an den stillen Reserven beim Beteiligungsnehmer. Diese Anforderungen werden im Handwerk jedoch praktisch nicht erfüllt. Aus diesen Gründen sind Handwerksbetriebe für renditeorientierte Beteiligungsgesellschaften bislang relativ uninteressant; Beteiligungsfälle im Handwerk sind nicht bekannt.
Bedeutsamer für das Handwerk sind dagegen die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG). Diese wirken auf Länderebene und sind nicht gewinnorientiert, sondern auf Mittelstandsförderung ausgerichtet. Ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Branchen vergeben sie Kapital in Form einer typisch stillen Beteiligung gegen ein jährliches Entgelt. Diese Art der Beteiligungsfinanzierung ist auf eine nominale Rückzahlung der Kapitaleinlage ausgelegt, ohne dass der Kapitalgeber am Zuwachs der stillen Reserven beim Kapitelnehmer partizipiert. Mit den Venture Capital-Gesellschaften haben die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften somit nur relativ wenig gemein.
Ende 1998 entfielen 20% aller Beteiligungen der MBGs (insgesamt 510 Fälle) sowie knapp 13% des investierten Kapitals auf Unternehmen aus dem Handwerk. Aus diesem gleichen Jahr sind 63 neue Beteiligungsfälle im Handwerk bekannt, darunter jedoch nur wenige an Existenzgründer. Damit verwalten die förderorientierten MBGs praktisch sämtliche Engagements, die an Handwerksunternehmen ausgereicht wurden.
In einigen Bundesländern gibt es spezielle Beteiligungsprogramme für Existenzgründer. Besonders hervorzuheben ist hier Baden-Württemberg, wo vom Land die Entgeltsätze für Beteiligungen an Existenzgründer bis 300.000 DM bezuschusst werden, so dass die Konditionen für das Beteiligungskapital den Bedingungen öffentlicher Darlehensprogramme sehr nahe kommen. Das hat zur Folge, dass gegenwärtig etwa die Hälfte der Beteiligungsfälle im deutschen Handwerk aus Baden-Württemberg kommt. Aber auch in Bayern und Niedersachsen gibt es spezielle Programme für Existenzgründer; weitere Bundesländer haben ebenfalls Initiativen für solche Programme gestartet.
Die Vorteile der MBG-Beteiligungsprogramme liegen hauptsächlich in einer Stärkung der Eigenkapitalbasis, der Schonung der Sicherheiten, der Erhöhung des Finanzierungsspielraums sowie der Möglichkeit, dass der Beteiligungsnehmer von der MBG beraten wird. Da es sich um eine stille Beteiligung handelt, sind die Eingriffsrechte des Beteiligungsgebers relativ gering.
Die Hauptgründe, warum die Beteiligungsfinanzierung im Handwerk bislang nur relativ selten genutzt wird, sind die fehlende Bekanntheit dieses Finanzierungsinstruments bei den Existenzgründern, die Ängste der Handwerker, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, und die hohe Liquiditätsbelastung durch das von der MBG verlangte Beteiligungsentgelt, das deutlich höher ausfällt als die Zinsbelastung bei der Kreditfinanzierung.
Um die Beteiligungsfinanzierung im Handwerk voranzutreiben, müsste die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert werden, um dieses Finanzierungsinstrument bekannter zu machen und über dessen Möglichkeiten besser zu informieren. In Bundesländern, in denen noch kein spezielles Beteiligungsprogramm für Existenzgründer vorhanden ist, sollte ein solches eingerichtet werden. Zusätzlich sollte die Betreuung und Beratung von Beteiligungsnehmern verbessert werden, um durch diese Zusatzleistungen eine stärkere Abgrenzung zu öffentlichen Darlehensprogrammen zu schaffen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich bislang das Beteiligungskapital noch nicht als Finanzierungsinstrument für handwerkliche Existenzgründer etabliert hat. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Beteiligungsfinanzierung unter den Handwerkern einen vergleichbaren Aufschwung erlebt wie in einigen industriellen Branchen, obwohl sie Vorteile für die Gründungsfinanzierung bringt. Die Konkurrenz durch öffentliche Förderprogramme ist jedoch groß, und die MBG-Finanzierung hebt sich teilweise zu wenig davon ab. Solange nicht in weiteren Bundesländern spezielle Beteiligungsprogramme für Existenzgründer angeboten werden und das Instrument "Beteiligungsfinanzierung" im Handwerk stärker bekannt gemacht wird, werden sich die meisten Existenzgründer des Handwerks ihr Kapital auch in Zukunft hauptsächlich über die ihnen vertrauteren Finanzierungsinstrumente beschaffen.