Der heterogene Gütermarkt - eine institutionenökonomische Analyse im Handwerk

Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, N. (2008). Der heterogene Gütermarkt - eine institutionenökonomische Analyse im Handwerk. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 77). Duderstadt: Mecke.

Derzeit stehen Deregulierungsmaßnahmen hoch im Kurs. Auch das Handwerk ist davon betroffen. Die Diskussion über das Pro und Contra einer Deregulierung im Handwerk wurde bislang fast ausschließlich unter Wettbewerbsgesichtspunkten geführt. Die Befürworter einer Deregulierung im Handwerk sehen in der Handwerksordnung, insbesondere in der Marktzutrittsbarriere, eine Behinderung des Preiswettbewerbs, die zu überhöhten Preisen und einer suboptimalen Beschäftigung führt. Die große Bedeutung des Handwerks für das Funktionieren eines heterogenen Gütermarktes wurde dagegen nur am Rande erwähnt oder ganz ausgeblendet.

Hier liegt der Ansatzpunkt der vorliegenden Dissertation, die im Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen e.V. erstellt worden ist. Ausgangspunkt der Arbeit war die Erkenntnis, dass ein Angebot heterogener Güter eine wesentliche Voraussetzung für die Überwindung latent vorhandener Sättigungstendenzen im Konsum und damit ein langfristiges angemessenes Wirtschaftswachstum darstellt.

Insbesondere vom Handwerk wird ein breites Spektrum heterogener Güter angeboten. Der Grund hierfür liegt daran, dass sich die Angebotsstruktur des Handwerks besonders eng an die differenzierte Nachfragestruktur anpassen kann.

Diese volkswirtschaftlich positiven Effekte, die der Wettbewerb mit heterogenen Gütern im Handwerk haben kann, stellen sich in der Realität nicht ohne weiteres ein, da mit dem heterogenen Gütermarkt hohe Transaktionskosten für Anbieter und Nachfrager verbunden sind, die bisher jedoch kaum beachtet wurden. Diese Transaktionskosten (Informationskosten, Vertragssicherungskosten, Kontrollkosten etc.) sind umso höher, je differenzierter die heterogenen Güter sind. Die Vorteile differenzierter Güterheterogenität für die optimale Allokation und die Stabilität in der Wirtschaft können nicht realisiert werden, wenn die Transaktionskosten für einen Wettbewerb mit heterogenen neuen Produkten prohibitiv wirken. Die Senkung dieser Transaktionskosten wird daher zum Schlüssel für die hervorragende Rolle, die das Handwerk in einem langanhaltenden Wirtschaftsaufschwung spielen könnte, indem Sättigungstendenzen im Konsum durch neue Produkte, die eine latente Nachfrage aktualisieren können, überwunden werden.

In der Arbeit wird überzeugend aufgezeigt, dass geeignete institutionelle Rahmenbedingungen in der Lage sind, die Transaktionskosten im Marktverkehr auf Märkten mit heterogenen Gütern wesentlich zu senken und einen effektiven funktionsfähigen dynamischen Wettbewerb zu ermöglichen. Unter diesem Blickwinkel erhalten die Zulassungsvoraussetzungen der Handwerksordnung eine zusätzliche Begründung.

Während die Verfechter einer Deregulierung des Handwerks in solchen Vorschriften eine Beschränkung des Wettbewerbs sehen, zeigt die Arbeit, dass entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen einen zufrieden stellenden funktionsfähigen Wettbewerb im Handwerk überhaupt erst ermöglichen, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt von Märkten mit ausgeprägten, sehr differenzierten heterogenen Sachgütern und Dienstleistungen betrachtet, die für das Handwerk als Ganzes typisch sind.

Die Arbeit verweist damit auf einen in der bisherigen Deregulierungsdebatte vernachlässigten Sachverhalt, dessen zukünftige Beachtung positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stabilität und Allokation haben könnte. Sie stellt einen neuen interessanten institutionenökonomisch fundierten Beitrag dar zu den theoretischen Grundlagen einer zu erwartenden erneuten Diskussion über die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen der Wirtschaftsbereich Handwerk tätig ist. Zudem lässt sie verschiedene Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Liberalisierung des Marktzugangs, die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern etc. in neuem Licht erscheinen.

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