Investitionsverhalten im Handwerk - Ursachen für die Investitionsschwäche des Handwerks seit Mitte der 90er Jahre - Kurzfassung
Kornhardt, U. & Kucera, G. (2003). Investitionsverhalten im Handwerk - Ursachen für die Investitionsschwäche des Handwerks seit Mitte der 90er Jahre - Kurzfassung. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 51). Göttingen.
Investitionen sind in wachsenden Volkswirtschaften von besonderer Bedeutung. Für den einzelnen Betrieb stellen sie die Basis seiner Existenz dar. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sind sie Voraussetzung für den Wohlstand eines Landes. Auch für den Wirtschaftsbereich Handwerk ist ein hohes und stetiges Maß an Investitionsaktivitäten die Grundlage für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Umso mehr muss es Besorgnis erregen, dass die Investitionen der Handwerksbetriebe seit Jahren rückläufig sind. Es ist zu befürchten, dass die nun schon seit Mitte der 90er Jahre anhaltende Investitionsschwäche dem Handwerk mittel- und langfristig Wachstumspotenziale entzieht und die Bewältigung des Strukturwandels in den Betrieben gefährdet. Eine länger andauernde Investitionszurückhaltung im Handwerk hätte zudem fatale Folgen für die Beschäftigung sowie das Angebot an Ausbildungsplätzen und damit für die Bildung von Humankapital in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund hat die Handwerkskammer Kassel das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen beauftragt zu untersuchen, worin die Ursachen für die rückläufige Investitionstätigkeit im Handwerk liegen und von welchen Faktoren das Investitionsverhalten der Handwerksbetriebe abhängt. Ziel war es herauszufinden, wo geeignete Ansatzpunkte für wirtschaftspolitische Maßnahmen liegen, mit denen eine nachhaltige Verbesserung der Produktions- und Investitionsentwicklung im Handwerk erreicht werden kann.
Da es keine originären statistischen Daten über die Investitionen im Handwerk gibt, wurden im Rahmen der Untersuchung zum einen die in regelmäßigen Abständen durchgeführten Konjunkturumfragen im Handwerk in Hessen und Thüringen im Hinblick auf die dort gestellten Fragen zu den Investitionsaktivitäten der Betriebe analysiert. Zum anderen fand in beiden Bundesländern eine repräsentative Befragung von Handwerksbetrieben zum Investitionsverhalten statt.
Die Untersuchung bestätigt nicht nur eine tendenziell rückläufige Investitionstätigkeit im Handwerk seit Anfang der 90er Jahre, sondern stellt darüber hinaus auch eine deutlich geringere Investitionsdynamik des Handwerks im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen in den letzten Jahren fest.
Die Investitionsschwäche im Handwerk lässt sich nach der vorliegenden Untersuchung vor allem auf drei Ursachen zurückführen:
- Eine wesentliche Ursache für die im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Wachstums- und Investitionsschwäche des Handwerks liegt in seiner Wirtschaftszweig- bzw. Branchenstruktur. So hat insbesondere die seit Mitte der 90er Jahre anhaltende rezessive Entwicklung im Baugewerbe, auf das fast 40 % des handwerklichen Gesamtumsatzes entfällt, die Gesamtentwicklung im Handwerk maßgeblich beeinflusst.
- Die relative Wachstumsschwäche des Handwerks und die geringe Investitionsdynamik seit Mitte der 90er Jahre hängt daneben maßgeblich mit der fast ausschließlichen Binnenmarktorientierung dieses Wirtschaftsbereichs zusammen. Eine Analyse der letzten Jahrzehnte zeigt, dass das Handwerk immer dann mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten oder sogar höhere Umsätze erzielen konnte, wenn die entscheidenden Wachstumsimpulse vom Binnenmarkt ausgingen. In Phasen exportgetragenen Wachstums dagegen blieb das Handwerk zumeist deutlich hinter dem Wachstum der Gesamtwirtschaft zurück.
- Schließlich deuten verschiedene Indikatoren auf eine gewisse pessimistische Grundstimmung in den Handwerksbetrieben hin, die ihre Ursachen vor allem im Preis- und Kostendruck hat, dem das Handwerk in immer stärkerem Maße unterliegt. Die hiermit verbundenen Verunsicherungen wirken sich negativ auf eine innovative Investitionstätigkeit im Handwerk aus.
Daneben hängt die Investitionsschwäche im Handwerk auch mit langfristigen Tendenzen der Wirtschaftsentwicklung zusammen, denen es durch seine Stellung in der Gesamtwirtschaft ausgesetzt ist. Charakteristische Merkmale hierfür in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten sind abnehmende durchschnittliche Wachstumsraten, tendenziell zunehmende Arbeitslosigkeit, eine schwache Binnennachfrage und zunehmender Preiswettbewerb auf vielen Absatzmärkten. Aufgrund seiner hohen Arbeitsintensität und kleinbetrieblichen Struktur ist der Wirtschaftsbereich Handwerk insbesondere von der Verschärfung des Preiswettbewerbs betroffen, was sich in einem Verlust von Umsatz- und Wertschöpfungsanteilen niederschlägt.
Aus den Ergebnissen der Untersuchung werden in der Studie eine Reihe von Ansatzpunkten für wirtschaftspolitische Maßnahmen aufgezeigt, die sich vor allem aus den lang- und mittelfristigen Entwicklungstendenzen der Wirtschaft sowie den konkreten Problemen ergeben, denen sich die Handwerksbetriebe bei ihrer Wettbewerbsführung gegenübersehen.