Das Handwerk in der amtlichen Statistik - Bestandsaufnahme und Verbesserungsmöglichkeiten
Müller, K. (2003). Das Handwerk in der amtlichen Statistik - Bestandsaufnahme und Verbesserungsmöglichkeiten. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 48). Göttingen.
Um die spezifischen Interessen des Handwerks im politischen Entscheidungsprozess angemessen berücksichtigen zu können, ist eine adäquate Abbildung dieses Wirtschaftsbereichs in der amtlichen Statistik eine grundlegende Voraussetzung. Vor diesem Hintergrund liegt das Ziel des vorliegenden Arbeitsheftes des Göttinger Seminars für Handwerkswesen darin, detailliert zu untersuchen, welche Informationen über das Handwerk derzeit aus der amtlichen Statistik erhältlich sind. Darüber hinaus werden Anforderungen und gegenwärtige Defizite der amtlichen Handwerksstatistik diskutiert, einige Probleme angerissen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der amtlichen Handwerksstatistik aufgezeigt.
Um die Bedeutung des Handwerks innerhalb der Gesamtwirtschaft darzustellen, werden zu Beginn des Arbeitsheftes einige volkswirtschaftliche Größen ermittelt. So zählen nach den vorliegenden, allerdings unbefriedigenden Daten, etwa jedes vierte Unternehmen und jeder siebte Erwerbstätige zum Handwerk. Der Anteil an allen Existenzgründungen beträgt knapp 30 %, und die Stabilität der Handwerksunternehmen ist vergleichsweise hoch. Einen besonderen Stellenwert im Handwerk besitzt die Bildung von Humankapital.
Mit diesen Zahlen lässt sich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks aber nicht annähernd erfassen, denn das Handwerk hat darüber hinaus volkswirtschaftliche Funktionen, die sich einer quantitativen Analyse entziehen. In diesem Zusammenhang sind bspw. die Bedeutung des Handwerks als Anbieter von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, die Bedeutung für eine Kultur der Selbstständigkeit, die Bedeutung zur Umsetzung des technischen Fortschrittes und die Bedeutung für die Erhaltung der Umwelt zu nennen.
Die Bestandsaufnahme der derzeitigen amtlichen Handwerksstatistik ergab, dass derzeit nur noch drei Handwerksstatistiken im engeren Sinne existieren: Handwerkszählung, Handwerksberichterstattung, Arbeiterverdienste im Handwerk. Die Handwerkszählung stellt das Kernstück der gesamten Handwerksstatistik dar. Dies liegt daran, dass es sich hierbei um die einzige Totalerhebung im Handwerk handelt, die fundierte Aussagen über regionale, sektorale und größenbedingte Untergliederungen erlaubt. Hinzu kommt, dass die Handwerkszählung viele wichtige Erhebungsmerkmale beinhaltet.
Die Zielsetzung der Handwerksberichterstattung liegt in einer Darstellung des konjunkturellen Verlaufs des Handwerks in fachlicher und regionaler Gliederung. In dieser Stichprobenerhebung werden seit der letzten Handwerkszählung jedoch keine Absolutzahlen mehr abgebildet, wodurch die Aussagekraft dieser Statistik an Wert verloren hat. In der Statistik "Arbeiterverdienste im Handwerk" werden für zehn große handwerkliche Gewerke Angaben über bezahlte Wochenarbeitsstunden und Bruttoverdienste zur Verfügung gestellt.
In den letzten Jahren ist die Zahl der amtlichen Handwerksstatistiken erheblich reduziert worden. Bspw. wurden einige Handwerksstatistiken eingestellt, so die Zählung im handwerksähnlichen Gewerbe und die Kostenstrukturstatistik im Handwerk. In anderen Statistiken wurde auf den Ausweis von gesonderten Handwerksdaten verzichtet. Dies betrifft die Gewerbeanzeigenstatistik, die Insolvenzstatistik, die Wertschöpfung innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und die Umsatzsteuerstatistik. Dadurch sind heute statistisch abgesicherte Aussagen über wichtige handwerkliche Themen nicht mehr möglich. Problematisch ist auch, dass keine vollständige Abbildung des Handwerks mehr gegeben ist, da das handwerksähnliche Gewerbe und die handwerklichen Nebenbetriebe in der amtlichen Statistik keine Berücksichtigung mehr finden.
Zur Weiterentwicklung der amtlichen Handwerksstatistik werden derzeit verschiedene Möglichkeiten diskutiert. An erster Stelle steht dabei die Nutzung des Unternehmensregisters, das seit einigen Jahren aufgebaut wird. Das Unternehmensregister könnte für das Handwerk beachtliche Vorteile bringen. Diese liegen insbesondere darin, dass in diesem Register die Handwerkseigenschaft erfasst wird und möglicherweise jährliche, evtl. sogar unterjährige Auswertungen realisierbar sind. Derzeit ist aber noch nicht sicher, ob das Unternehmensregister für das Handwerk überhaupt nutzbar ist bzw. wie weit es die handwerkliche Grundgesamtheit exakt abbilden kann. Problematisch ist auch, dass kleinere Handwerksbetriebe wegen der Umsatzschwelle im Unternehmensregister nicht abgebildet und auch nicht alle Beschäftigten erfasst werden.
Aufgrund der Probleme, die gegenwärtig noch mit dem Unternehmensregister verbunden sind, erscheint die Durchführung einer Handwerkszählung, die nach dem Handwerksstatistikgesetz ohnehin in den Jahren 2003 bis 2005 stattfinden muss, unbedingt notwendig. Die Handwerkszählung hat den Vorteil, dass sie erheblich mehr Merkmale als das Unternehmensregister abbildet, und so umfassend den Strukturwandel in diesem Wirtschaftsbereich nachvollziehen kann. Außerdem ist der Rückgriff auf die Basisdaten der Handwerkszählung als Grundlage für andere Statistiken notwendig.
Die Abbildung des Handwerks in der amtlichen Statistik (und auch die Motivation der Handwerksbetriebe zum Ausfüllen der Fragebögen) könnten weiter verbessert werden, wenn in den Statistiken, zu denen Handwerksbetriebe melden, das Handwerk auch gesondert ausgewiesen würde. Besonders interessant könnte die Statistik im Produzierenden Gewerbe sein, da dort zukünftig auch kleinere Handwerksbetriebe meldepflichtig werden, und da hier zum ersten Mal Zeitreihen über Investitionen im Handwerk verfügbar sein könnten. Daneben sollte versucht werden, vermehrt Verwaltungsdateien zur amtlichen Statistik heranzuziehen, um die Belastung der Betriebe zu verringern.
Einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der amtlichen Handwerksstatistik kann auch die organisationseigene Statistik, insbesondere der Handwerkskammern, leisten, wenn es ihr gelingt, den statistischen Ämtern die benötigten Daten in ausreichender Qualität zur Verfügung zu stellen, so dass den Ämtern ein zusätzlicher Aufwand erspart wird. Grundsätzlich bietet die organisationseigene Statistik, die primär auf der Handwerksrolle und zusätzlichen Primärerhebungen basiert, ergänzend zur amtlichen Handwerksstatistik erhebliche Auswertungsmöglichkeiten. Zu bedenken ist jedoch, dass für die Aufbereitung und Justierung der organisationseigenen Statistik die Daten einer aktuellen Handwerkszählung unbedingt notwendig sind.