Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die niedersächsichen Klein- und Mittelunternehmen am Beispiel des Handwerks - Kurzfassung -
Müller, K. & Bang, K. (2002). Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die niedersächsichen Klein- und Mittelunternehmen am Beispiel des Handwerks - Kurzfassung -. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 46). Göttingen.
Im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hat das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen die Auswirkungen der bevorstehenden EU-Osterweiterung auf den niedersächsischen Mittelstand untersucht, wobei das Handwerk aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichtes im Vordergrund stand. Ein wichtiges Ergebnis der Recherchen ist, dass derzeit im niedersächsischen Handwerk eine große Unsicherheit bezüglich der EU-Osterweiterung herrscht. Hierbei macht sich vor allem ein Informationsdefizit bemerkbar.
So erwarten Handwerksunternehmen in Niedersachsen erheblich mehr Risiken als Chancen. Rund zwei Drittel sind allerdings der Ansicht, dass sie schlecht oder gar nicht informiert seien. Angesichts der vorliegenden Analyse ist die derzeitige Einstellung der Unternehmen sicherlich zu pessimistisch. Zu berücksichtigen ist auch, dass viele vermeintliche Risiken nicht unmittelbar durch die EU-Osterweiterung entstehen, sondern im Grunde mit den allgemeinen Auswirkungen von Globalisierungstendenzen der Wirtschaft zu tun haben.
Die EU-Osterweiterung bietet insofern Chancen, als produzierende Handwerke, die Güter mit hohem Know-how-Gehalt herstellen und daher auf Nachfrage jenseits ihres regionalen Marktes stoßen, von den wachsenden Märkten in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) profitieren können. Zwar sind bislang schon die meisten Handelsrestriktionen außer Kraft gesetzt worden, aber durch den bloßen Beitritt dieser Länder ist eine dynamische Zunahme der Exporttätigkeit im Mittelstand zu erwarten. Handwerksbetriebe würden dabei vor allem dann an dieser Entwicklung partizipieren, wenn sie auf zielgerichtete Hilfen ihrer überbetrieblichen Organisation zurückgreifen könnten. Des Weiteren bieten sich für einige Handwerksunternehmen aus Niedersachsen Chancen der Zusammenarbeit mit Firmen aus den Beitrittsländern an, wobei Lohnkostenunterschiede und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem heimischen Markt eine ausschlaggebende Rolle spielen dürften.
Handwerksbetriebe, die wie die Friseure ihre Leistungen standort- und werkstattgebunden erbringen, dürften von der EU-Osterweiterung nur wenig tangiert sein. Anders sieht es bei jenen Handwerkern aus, die ihre Leistungen nachfragebezogen und werkstattungebunden anbieten, wobei insbesondere das Baugewerbe und die Gebäudereiniger zu erwähnen sind. Die betreffenden Unternehmen erwarten aufgrund des Beitritts eine massive Betätigung von Firmen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, insbesondere Polen, auf den angestammten deutschen Märkten. Über genaue Größenordnungen ist in dieser Frage noch keine Aussage möglich, zumal es den Unternehmen aus den MOEL nicht leichtfallen dürfte, ohne weiteres im deutschen Raum Fuß zu fassen. Wahrscheinlich müssen sich solche Unternehmen zunächst mit der untergeordneten Rolle eines Subunternehmers zufriedengeben.
Um Anpassungsprozesse für viele beteiligte Akteure zu erleichtern, sind bekanntlich Übergangsfristen von bis zu sieben Jahren in Erwägung gezogen worden. Innerhalb dieses Zeitrahmens dürfte ein größeres Problem in Gestalt von Schwarzarbeit bzw. illegaler Betätigung von Betrieben aus den Beitrittsstaaten auf dem deutschen Markt bestehen.
Bei einer differenzierten Betrachtung des Landes Niedersachsen ist grundsätzlich nicht damit zu rechnen, dass im Weser-Ems-Raum und in den ländlichen Regionen Nordniedersachsens mit einer größeren Aktivität von Unternehmen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten anfällt. Anders verhält es sich in der Region Braunschweig, im Großraum Hannover und teilweise im Südosten Niedersachsens. Letzterer Standort ist insofern problematisch, als es sich um ein Gebiet handelt, in dem insbesondere das Baugewerbe in den letzten Jahren deutlich hinter der Entwicklung des Gesamthandwerks zurückgeblieben ist.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat Konsequenzen der einen oder anderen Art für sämtliche niedersächsischen Handwerker. Zunächst ist hierbei die Möglichkeit geboten, den Facharbeitermangel bei vielen Handwerksbetrieben zu reduzieren. Andererseits könnte sich die prekäre Lage am niedersächsischen Arbeitsmarkt noch verschärfen.
Aufgrund der Ergebnisse der Studie des Seminars für Handwerkswesen an der Universität Göttingen wurden in Zusammenarbeit mit Experten aus dem niedersächsischen Handwerk eine Reihe von Handlungsempfehlungen erarbeitet, welche die folgenden Maßnahmebereiche umfassen:
- Maßnahmen zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen
- Maßnahmen zur volkswirtschaftlich erfolgreichen Gestaltung des Beitrittsprozesses
- Maßnahmen zur Anpassung des niedersächsischen Handwerks an die veränderte Wettbewerbssituation
- Maßnahmen zur Stärkung des außenwirtschaftlichen Engagements des niedersächsischen Handwerks.