Handwerk in Wolfsburg
Müller, K. & Mecke, I. (1997). Handwerk in Wolfsburg. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 53). Duderstadt: Mecke.
Innerhalb der Wolfsburger Wirtschaft spielt das Handwerk bislang nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich 6 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten dieser Stadt gehören zu diesem Wirtschaftsbereich. Da das Handwerk in vielen anderen Regionen seine Funktion als Stabilisator am Arbeitsmarkt eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, gewinnt das Handwerk auch in der Stadt Wolfsburg zunehmend an Interesse.
Dies ist der Hintergrund einer Untersuchung, die das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Forschungsinstitut im Deutschen Handwerksinstitut, im Auftrag der Gesellschaft für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung Wolfsburg mbH mit Unterstützung der dortigen Kreishandwerkerschaft durchgeführt hat.
Zur Situation des Wolfsburger Handwerks konnte folgendes festgestellt werden:
Seit der vorletzten Handwerkszählung 1977 ist der Betriebsbestand im Wolfsburger Handwerk um etwa 10 % gefallen. Zwar konnte die Zahl der Beschäftigten um 5 % gesteigert werden, verglichen mit dem gesamten niedersächsischen oder dem deutschen Handwerk hat sich das Wolfsburger Handwerk aber erheblich schlechter entwickelt. Von allen Landkreisen und kreisfreien Städten des Landes Niedersachsen weist das Handwerk der Stadt Wolfsburg mit 43,8 Beschäftigten je 1 000 Einwohnern den zweitgeringsten Wert auf. Gegenüber den entsprechenden Daten für Niedersachsen (68,6) und Deutschland (74,6) zeigt sich ein erheblicher Rückstand.
In allen neun Handwerksgruppen ist der Handwerksbesatz in der Stadt Wolfsburg geringer als Niedersachsen oder in Deutschland. Ein besonders großer Rückstand zeigt sich im Bauhauptgewerbe und bei den Produzierenden Handwerken sowohl für den gewerblichen als auch für den privaten Bedarf.
Die wichtigste Ursache für diesen dünnen Besatz dürfte vor allem an der Prägung der Stadt durch das Volkswagenwerk liegen. So werden bspw. die Stundenlöhne in der Stadt maßgeblich durch die Lohnhöhe von VW beeinflußt, und auch die lange Zeit einseitige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf die Bedürfnisse von VW hat die Standortbedingungen des Handwerks negativ beeinflußt.
Die generell schlechtere Ausgangslage des Handwerks in Städten, bedingt durch die starke Konkurrenz von Industrie und Handel, und die Lage an der ehemaligen innerdeutschen Grenze dürften für den dünnen Handwerksbesatz zusätzlich verantwortlich sein.
Aufgrund des Stärken- und Schwächenprofils der Handwerksbetriebe und der geäußerten Wünsche der Handwerker konnten wichtige Gesichtspunkte für mögliche Fördermaßnahmen hergeleitet werden. Diese betreffen insbesondere folgende Bereiche:
• Stärkere Einbindung des Handwerks in die gesamtwirtschaftliche Arbeitsteilung
Fast alle Gewerke im Wolfsburger Handwerk sind überwiegend auf den Endverbraucher ausgerichtet. Handwerksbetriebe, die in größerem Ausmaß in Austauschprozesse mit der Industrie eingebunden sind, sind dagegen stark unterrepräsentiert. Bspw. konnten Zulieferbeziehungen zum VW-Werk nur in Einzelfällen festgestellt werden.
• Verbesserung der Rahmenbedingungen, daß Handwerksbetriebe mehr Aufträge akquierieren können
Von vielen Handwerksbetrieben wird häufig beklagt, daß sie über kommunale Ausschreibungen, über Aufträge des VW-Werks und auch über Neuansiedlungen von Unternehmen zu wenig informiert werden.
• Verbesserung der Standortsituation der Handwerksbetriebe
Die Analyse hat gezeigt, daß ein großer Teil der Nachfrage im Einzelhandel in umliegende Städte, insbesondere Braunschweig, abfließt. Der Einzelhandelsumsatz je Kopf der Bevölkerung fällt in Wolfsburg deutlich gegenüber den benachbarten Städten ab. Darunter leitet auch das städtische Handwerk. Ein wichtiger Ansatzpunkt, um hier eine Veränderung herbeizuführen, liegt in der Verbesserung der Attraktivität der Stadt. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß Handwerksbetriebe meist nicht in 1a-, sondern eher in 1b- oder 1c-Lagen bzw. Stadtteilzentren ansässig sind.
• Hilfe der Handwerksbetriebe bei der Suche nach Gewerbeflächen
Auch viele bestehende Handwerksbetriebe müssen eine Standortverlagerung vornehmen. Daher ist es unbedingt notwendig, daß Hilfen bei der Ausweisung von Gewerbeflächen nicht nur Neuansiedlern, sondern auch bestehenden Betrieben gewährt werden bzw. der Bestandspflege von Handwerksbetrieben ein noch größerer Stellenwert zukommt.
• Stärkere Bekämpfung der Schwarzarbeit
Überproportional viele Betriebe monierten die hohe Schwarzarbeit in Wolfsburg. Dies dürfte sicherlich mit der 4-Tage-Woche bei VW zusammenhängen.