Marktpotenziale des Handwerks durch Einführung eines Gebäudeenergiepasses (DHI)

Bearbeitung

Dr. Ullrich Kornhardt, Claudia Kowald

Auftraggeber

Deutsches Handwerksinstitut (DHI)

Projektlaufzeit

08/2008 - 12/2010

Projektziele

© Ground Picture/Shutterstock.com
© Ground Picture/Shutterstock.com

Am 1. Juli 2008 ist für alle Wohn- und Nichtwohngebäude im Bestand bei Verkauf, Vermietung und Leasing von Gebäuden ein Energieausweis eingeführt worden. Der Energieausweis soll zum einen die energetische Qualität von Gebäuden anzeigen und damit die Transparenz auf dem Immobilienmarkt erhöhen, zum anderen sollen durch konkrete Modernisierungsempfehlungen Anreize für eine energetische Gebäudesanierung gegeben werden.

Angesichts knapper werdender Energieressourcen und klimatischer Veränderungen soll der Gebäudeenergieausweis nicht nur das Bewusstsein für Energiesparen und Klimaschutz in der Gesellschaft schärfen, sondern neue Impulse für konkrete energiesparende Bau- und Modernisierungsmaßnahmen vermitteln. Im Handwerk erhofft sich vor allem das Bau- und anlagentechnische Handwerk eine spürbare Belebung der Geschäftstätigkeit und positive Umsatz- und Beschäftigungseffekte: Zum einen durch die Ausstellung der Energieausweise, zum anderen durch entsprechende (Folge-)Aufträge bei der energetischen Gebäudesanierung.

In der vorliegenden Arbeit werden die handwerksrelevanten Marktpotenziale durch den Energieausweis identifiziert und grob abgeschätzt. Im Einzelnen ergab die Untersuchung folgende Ergebnisse:

  • Im Zeitraum von 2008 bis 2018 werden nach dem Prognosemodell des ifh Göttingen insgesamt rund 10 Mio. Energieausweise für Wohngebäude im Bestand ausgestellt werden. Bis 2013 ist jedes Jahr mit über einer Million neu auszustellender Energieausweise zu rechnen. Danach wird sich die Zahl kontinuierlich verringern, da bei einer Passgültigkeit von 10 Jahren im Laufe der Zeit immer mehr Wohnobjekte bereits über einen Pass verfügen werden. Von 2015 bis 2018 wird sich die Zahl der jährlichen Passausstellungen dann voraussichtlich zwischen 500.000 und 600.000 einpendeln.
  • Von den im Prognosezeitraum bis 2018 neu auszustellenden Energieausweisen für Bestandswohngebäude entfallen rund 7 Mio. auf Ein- und Zweifamilienhäuser und knapp 3 Mio. auf Mehrfamilienhäuser.
  • Die Ergebnisse des der Einführung des Energieausweises vorgeschalteten Feldversuchs der Deutschen Energieagentur (dena) lassen darauf schließen, dass die handwerklichen Passaussteller vor allem bei Ein- und Zweifamilienhäusern zum Zuge kommen. Von den rund 7 Mio. Ausweisen im Ein- und Zweifamilienhausbereich dürften nach den Erfahrungen im dena-Feldversuch schätzungsweise etwa ein Viertel bzw. 1,75 Mio. Energieausweise auf die ausstellungsberechtigten Handwerksbetriebe entfallen.
  • Das Handwerk erfüllt beim Gebäudeenergieausweis zweierlei Funktionen: Als Aussteller von Energieausweisen und als Sanierer bzw. Modernisierer in den einzelnen Tätigkeitsbereichen der energetischen Gebäudesanierung. Dabei bestehen Synergien zwischen den beiden Funktionsbereichen, denn durch die Tätigkeit als Passaussteller und die Empfehlung konkreter Modernisierungsmaßnahmen können die Handwerksbetriebe nicht nur Kundenkontakte aufbauen, sondern zudem quasi die „Tür aufstoßen“ für die Akquisition von Folgeaufträgen bei der Umsetzung der empfohlenen Modernisierungsmaßnahmen.
  • Rund 72 % der Wohngebäude bzw. rund 30 Mio. Wohnungen sind vor 1978, also noch vor Inkrafttreten der 1. Wärmeschutzverordnung errichtet worden; bei etwa 40 % der Wohngebäude liegt das Baujahr sogar vor 1965. Damit entspricht ein Großteil der Bestandsgebäude in Deutschland nicht mehr den heutigen energetischen Standards, was auf einen hohen energetischen Nachrüstungsbedarf bei bestehenden Wohngebäuden hinweist.
  • Nach einer aktuellen Marktstudie beläuft sich das Marktvolumen in den wichtigsten handwerksrelevanten Modernisierungsfeldern im Bereich der energetischen Gebäudesanierung auf jährlich rund 24 Mrd. Euro (Dach: 8,2; Heizung: 7; Fenster: 4,7; Wärmedämmung: 4,2). Dabei sind die mit weitem Abstand wichtigste Investorengruppe die Eigenheimbesitzer, gefolgt von den privaten Vermietern von Mehrfamilienhäusern.

Als Fazit lässt sich feststellen, dass der Energieausweis mit seinen gebäudespezifischen Modernisierungsempfehlungen eine wichtige Entscheidungshilfe für die privaten Eigentümer darstellt und die Markttransparenz hinsichtlich der energetischen Qualität von Gebäuden erheblich erhöht. Dennoch kann er keine ausführliche Energieberatung ersetzen, wenn die empfohlenen Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Insofern wird es hinsichtlich der beabsichtigten Wirkung des Energieausweises letztlich entscheidend darauf ankommen, inwieweit die Passaussteller die Eigentümer motivieren können, die empfohlenen Modernisierungsmaßnahmen auch tatsächlich umzusetzen.

Der Modernisierungsmarkt ist seit der rückläufigen Neubautätigkeit Mitte der 90er Jahre ein stabiler und aussichtsreicher Markt, der durch die ambitionierten Klimaschutz- und Energieeinsparziele in Deutschland zusätzliche Impulse erhalten hat. In diesen Kontext gehört auch die Einführung des Gebäudeenergieausweises, die mit der Hoffnung verknüpft ist, dadurch die energetische Gebäudesanierung zu forcieren. Für das Handwerk ist weniger die Ausstellung von Energieausweisen ein lukratives Geschäft, vielmehr eröffnet die Funktion als Passaussteller dem Handwerker die Möglichkeit, seine Kompetenz im Bereich der energetischen Gebäudesanierung dem Auftraggeber bzw. potenziellen Kunden gegenüber unter Beweis zu stellen und sich dadurch auch für die Umsetzung der Modernisierungsmaßnahmen zu empfehlen.

Publikationen im Projekt

Kornhardt, U. & Kowald, C. (2010). Marktpotenziale des Handwerks durch den Gebäudeenergieausweis. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 65). Duderstadt: Mecke. Download

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