Struktur- und Potentialanalyse für Sächsisches Handwerk erschienen
20.02.2020
Mit der größten Handwerksuntersuchung für ein Bundesland beginnt in Sachsen die Diskussion zur Zukunft des sächsischen Handwerks. Wirtschaftsminister Martin Dulig: »Es gilt Stärken zu fördern, Begeisterung zu wecken und Chancen zu ergreifen.«
Das Handwerk prägt kein anderes Bundesland so stark wie Sachsen. Der Freistaat hat die höchste Handwerksdichte bundesweit: Jedes vierte Unternehmen (36.500) ist diesem Sektor zuzuordnen. Zudem weist Sachsen bundesweit die zweithöchste Beschäftigtendichte im Handwerk auf: Mehr als 285.000 Menschen – jede/r siebente Erwerbstätige – finden im Handwerk ihren Beruf bzw. ihre Berufung. Die jetzt veröffentlichte Handwerksuntersuchung für Sachsen zeichnet erstmals ein vertieftes Bild der »Wirtschaftsmacht von nebenan«. Die Studie »Das Sächsische Handwerk 2019« wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – unterstützt von den drei Sächsischen Handwerkskammern – beim Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen) in Auftrag gegeben. Das Gutachten stellt den Stand, die Stärken und Schwächen sowie die Entwicklungspotenziale des sächsischen Handwerks in einer in Deutschland bislang einmaligen Untersuchungstiefe dar.
Dr. Till Proeger, Geschäftsführer des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen:
»Das Gutachten ist mehr als nur eine Bilanz. Unser Auftrag war es, eine Grundlage für den weiteren Arbeitsprozess in Sachsen zu erarbeiten. Durch unzählige Interviews, die aktive Einbeziehung von Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften und die Befragung von 17.000 Handwerksunternehmen war es möglich, eine breite und fundierte, solide wissenschaftliche Grundlage zu erarbeiten. Darin liegt die wesentliche Leistung der Studie, die es so für kein anderes Bundesland gibt.«
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig:
»Sachsens Handwerkswirtschaft steht gut da; aber wir bewegen uns insgesamt auf hohem Niveau. Um dieses zu halten, werden in den kommenden Jahren beachtliche Anstrengungen nötig sein. Es gilt, Stärken zu fördern, neue Begeisterung zu wecken und Chancen konkret zu ergreifen. Denn nur mit einem starken Handwerk gibt es eine starke sächsische Wirtschaft!
Insbesondere die Frage, wie man Fachkräfte gewinnt und binden kann, ist längst zur zentralen Frage geworden. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung liegt mir besonders am Herzen. Eine duale Berufsausbildung ist eine gleichwertige Alternative zum Studium. Sie ist anspruchsvoll, bietet gute Jobperspektiven und alle Aufstiegschancen. Eine der Hauptanforderungen wird sein, die Qualität und Attraktivität der betrieblichen Ausbildung zu steigern. Wir müssen ein Umdenken in der Gesellschaft anstoßen, damit sich die große Bedeutung einer dualen Berufsausbildung für unsere Unternehmen auch in der öffentlichen Wahrnehmung widerspiegelt.«
Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern:
»Das Durchschnittsalter von sächsischen Unternehmern im Handwerk beträgt heute etwa 50 Jahre, drei von zehn Inhabern sind sogar älter als 60 Jahre alt. Diese Zahlen beweisen, dass das Thema Unternehmensnachfolge in den nächsten Jahren rasant an Bedeutung gewinnen wird – das Handwerk braucht daher bessere Rahmenbedingungen für die Meisterausbildung und passende Investitionsförderungen, um die Übernahme eines Unternehmens für junge Handwerksmeister attraktiv zu machen.«
Die Studie zeigt, dass gerade kleinere Unternehmen auf Investitionsförderung angewiesen sind. Investitionen stellen die entscheidende Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens dar. Komplizierte Förderantragsprozesse hindern Unternehmen jedoch an Investitionen.
Neben den genannten gibt es zahlreiche weitere Aufgaben, die gelöst werden müssen, damit das Handwerk zukunftssicher aufgestellt ist. Gemeinsam mit der sächsischen Staatsregierung werden wir dazu konkrete Maßnahmen festlegen und auf deren zügige Umsetzung hinwirken.«
Ausgewählte Ergebnisse der Studie
* Gewerbegruppen:
Fast jedes zweite Handwerksunternehmen im Freistaat ist im Bau- und Ausbau tätig. Im Kfz-Bereich erwirtschaften ein Zehntel aller Handwerksunternehmen annähernd ein Drittel des Gesamtumsatzes im sächsischen Handwerk. Das Lebensmittelhandwerk wächst in der Größe, schrumpft aber in der Anzahl der Unternehmen – ohne dass es zu einem Beschäftigtenabbau kommt. Die demographischen Veränderungen führen zu Wachstum im Gesundheitsmarkt – und damit auch für die Betriebe des Gesundheitshandwerks, dessen Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt bei Beschäftigten und Umsatz dauerhaft am stärksten (+3,5 Prozent bzw. + 2,5 Prozent) gewachsen sind. Neben der hohen Konjunkturabhängigkeit des Handwerks muss der Blick auch auf strategisch wichtige Themen wie etwa die Zukunft der Automobilwirtschaft gerichtet werden.
* Starke lokal-regionale Verankerung:
Etwa 90 Prozent aller in Sachsen hergestellten handwerklichen Produkte und Dienstleistungen werden nur in Sachsen abgesetzt. Nur jedes fünfte Unternehmen hat seine Kunden bzw. seinen Markt außerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern. Die kreisfreien Städte wirken dabei als Konjunkturmotoren in der Region. Für die wirtschaftliche Lage des Handwerks ist ein Zugang zu diesen Zentren ebenso wichtig wie das Wohlstands- bzw. Kaufkraftniveau innerhalb der jeweiligen Region. Vier Fünftel aller Handwerksunternehmen befinden sich in den Landkreisen des Freistaates. Chancen, Potenziale und Herausforderungen des ländlichen Raums sind deshalb auch unmittelbar mit dem Handwerk verbunden.
* Weitere Ergebnisse:
Das Durchschnittsalter der Inhaber von Handwerksunternehmen ist auf 50 Jahre gestiegen. Mehr als jeder vierte sächsische Auszubildende (rund 13.500) erlernt einen Handwerksberuf. Viele Stellen bleiben gar unbesetzt.
64 Prozent der sächsischen Betriebe sehen das Erfahrungswissen sowie die Kreativität und Freiräume der Mitarbeiter als zentralen Impulsgeber für Neuerungen. Jedes zweite Unternehmen erbringt kundenspezifische Lösungen oder Innovationen. Jährlich zeigen über 600 Jungmeister, wieviel Selbstverwirklichungspotenzial in der Aufgabenvielfalt des Handwerks liegt.
Meistergeführte Betriebe sind nach wie vor ein prägendes Kennzeichen des sächsischen Handwerks. Mehr als zwei Drittel der sächsischen Inhaber verfügten 2017 über einen Meisterbrief. Fast 80 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk erlernen in den Meisterbetrieben einen Beruf.
Etwa 70 Prozent aller Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in Maßnahmen zur Digitalisierung des Betriebs investiert – ein im Bundesvergleich verbesserungsfähiger Wert. Denn die noch zögerlichen Schritte in Richtung Digitalisierung werden nicht nur mit fehlenden Ressourcen, sondern oft auch mit einem unklaren Nutzen begründet.
Dabei zeigt sich jedoch: Je größer die Unternehmen sind, desto eher kooperieren sie mit anderen Unternehmen etwa im Einkauf. Größere Unternehmen sind auch innovationsbereiter. Je kooperativer und innovativer die Unternehmen sind, desto höher fällt in der Regel das Beschäftigten- und Umsatzwachstum des Unternehmens aus.
Ein Rückgang des Gesamtbestandes an Handwerksunternehmen in Sachsen (seit 2008 um rund fünf Prozent) ist einerseits kritisch zu begleiten; bei gleichzeitigem Größenwachstum der Unternehmen (Beschäftigtenwachstum seit 2008 um rund zwei Prozent, Umsatz um über 17 Prozent) andererseits kann diese Entwicklung auch als Chance und Herausforderung gesehen werden.