Neue Studie zu den Lohnstrukturen im Handwerk

20.03.2018

Ein Vergleich der Durchschnittsverdienste zeigt, dass Beschäftigte im Handwerk etwa 20 Prozent weniger verdienen als Beschäftigte in anderen Sektoren. Anhand detaillierter statistischer Analysen untersucht eine neue Studie des ifh Göttingen die Gründe für diesen Lohnunterschied. Es zeigt sich, dass sich die Differenz zur Hälfte durch die Unterschiede in der Qualifikationsstruktur erklären lässt, insbesondere den geringeren Grad der Akademisierung. Hinzu kommt, dass die Einkommen zwar durch branchenspezifische Mindestlöhne abgesichert sind, die Tarifbindung aber schwächer ausgeprägt ist als in der Gesamtwirtschaft.

Für ihre Untersuchung haben die Mitarbeiterinnen des ifh Göttingen, Dr. Katarzyna Haverkamp und Kaja Fredriksen im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung mehrere umfangreiche Datensätze des Statistischen Bundesamts und des Bundesinstituts für Berufsbildung ausgewertet. Wegen unterschiedlicher Abgrenzungen der Stichproben sind die Einzelergebnisse zum Teil nicht direkt vergleichbar. Dass das Handwerk beim durchschnittlichen Lohnniveau zurückliegt, gilt allerdings unabhängig von der Methode und dem Zeitpunkt der Erhebung.

Der Analyse zufolge haben Vollzeitbeschäftigte im Handwerk 2016 monatlich im Schnitt 3.217 Euro brutto und damit etwa 1.000 Euro weniger verdient als in anderen Branchen. Pro Stunde haben Handwerksbetriebe 2014 durchschnittlich 14,25 Euro gezahlt, andere Betriebe 17,74 Euro.

Bei den Geringverdienern fallen die Unterschiede kaum ins Gewicht: Das unterste Zehntel der Lohnverteilung erhielt 2014 im Handwerk durchschnittlich 6,89 Euro pro Stunde, in anderen Wirtschaftszweigen 6,97 Euro. Weitaus größer ist die Lücke bei den relativ hoch bezahlten Tätigkeiten: Beschäftigte im obersten Zehntel der Lohnverteilung kamen im Handwerk auf einen durchschnittlichen Stundenlohn von 29,55 Euro, in den anderen Branchen waren es 43,05 Euro. Das Lohnspektrum sei also weniger ausdifferenziert, schreiben die Forscherinnen. Das sehe man auch daran, dass Führungskräfte im Handwerk 2,5-mal so viel wie ungelernte Beschäftigte verdienen, während sie andernorts das 3,2-fache bekommen.

Wenn man die Löhne in den verschiedenen Handwerksberufen untereinander vergleicht, schneiden Beschäftigte in Metallberufen und im Baugewerbe am besten ab, im Lebensmittelhandwerk, in textilen Berufen, im Verkauf und in der Körperpflege am schlechtesten. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Lohndifferenz zu anderen Branchen als Maßstab dient. Dann stehen die Handwerker in den Lebensmittelberufen ziemlich gut da: Sie verdienen mit 11,67 Euro pro Stunde sogar etwas mehr als diejenigen, die in anderen Wirtschaftszweigen Lebensmittel herstellen oder verarbeiten und im Schnitt auf 11,01 Euro kommen. Bei den Metall- und Elektroberufen liegt der Stundenlohn im Handwerk mit 15,15 Euro dagegen deutlich unter dem Wert von 21,83 Euro in anderen Branchen.

Als Ursache für die Verdienstunterschiede nennen Haverkamp und Fredriksen zum einen die Qualifikationsstruktur. Während von den Handwerkern nur 12 Prozent Abitur und lediglich 4 Prozent einen Hochschulabschluss haben, sind Beschäftigte in anderen Bereichen der Wirtschaft zu 33 Prozent studienberechtigt und zu 19 Prozent Akademiker. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Studie zufolge die Tarifbindung. Etwa 70 Prozent der Arbeitnehmer im Handwerk – und damit 20 Prozentpunkte mehr als in anderen Sektoren – sind bei Betrieben ohne Tarifbindung angestellt. Der Stundenlohn ist dort mit 13,71 Euro im Schnitt gut zwei Euro niedriger als bei Arbeitgebern mit regionalem Branchentarif. Die Schwächen bei der Tarifbindung wiederum dürften auch mit der kleinbetrieblichen Struktur des Handwerks zusammenhängen: Über zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, in anderen Branchen sind es nur 38 Prozent.

Wenn man zusätzlich das Alter, das Geschlecht und die Region berücksichtigt, lasse sich der Verdienstunterschied zwischen dem Handwerk und dem Rest der Wirtschaft statistisch zu 90 Prozent erklären, so die Ökonominnen. Fast die Hälfte der Differenz ist demnach auf das Qualifikationsniveau zurückzuführen, über ein Drittel auf den hohen Anteil von Kleinbetrieben. Die schwache Tarifbindung ist für ein Fünftel des Lohnunterschieds verantwortlich.

Haverkamp, K. & Fredriksen, K. (2018). Lohnstrukturen im Handwerk. Study der Hans-Böckler-Stiftung (Nr. 380). Düsseldorf. Download der Studie

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